Let´s talk about sex - mit Tobias Faix

Shownotes

In der 100. Folge (!!!) unterhalten sich Sarah und Thea mit Tobias Faix über einer seiner letzten Veröffentlichungen. In Tobias neustem Werk (https://neukirchener-verlage.de/transformative-ethik-wege-zur-liebe-9783761570388) geht er zusammen mit Thorsten Dietz einer aktuellen Sexualethik auf die Spur. Im Gespräch wird die Jubiläumsfolge gefeiert, über Kirche und Machtstrukturen gesprochen und den Inhalten der Sexualethik nachgegangen.

Wer noch mehr von mehr Tobias hören möchte, findet hier auch seinen Podcast mir Thorsten Dietz: https://karte-und-gebiet.de/

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Stachel und Herz 06.25.02

Stachel & Herz, der Podcast mit Sarah Wetscherer und Theo Hummel. Wir wollen Kirche zu einem Safer Space machen. Dafür legen wir den Stachel in die Wunde.

Mal mit Gästinnen, mal zu zweit, aber immer mit Herz. Hallo und herzlich willkommen zur 100. Folge von Stachel & Herz.

100 Folgen, Leute. Meine Güte. Und wisst ihr, wer sie alle gehört hat? Tobias Falks.

Hat er das nicht gesagt? Heute ist zu Gast Tobias Falks. Ich springe direkt rein, aber gleich stellen wir ihn erst fort. Aber das war so krass, als er gesagt hat, dass er jede Folge kennt.

Das war mir unangenehm. Das ist ein bisschen peinlich, ne? Weil ich hoffe, ihr habt auch festgestellt, dass wir besser geworden sind. Wir waren nicht immer so souverän wie jetzt.

Ich weiß manchmal nicht. Also manchmal, wenn es so über mich kommt und ich von irgendwelchen Ex-Freunden mit Klarnamen rede, das ist schon unangenehm. Es ist eine bestimmte Entwicklung, aber ob es eine gute oder eine schlechte ist, das dürft ihr entscheiden.

Schön, dass ihr auf jeden Fall da seid zur 100. Folge. Wir haben uns ein spicy Thema überlegt.

Yes, yes, yes. Mit einem special guest. Let's talk about sex, baby.

Let's talk about you and me. Let's talk about all the things that I think about me. Ja, bei mir hört die Textsicherheit da auf.

Yes, also, wir reden über Sex mit Tobias Weix und über vieles mehr. Aber Sex Sales, deswegen ist das der Titel dieser Folge. Sex Sales.

Achso. Das ist ein Verb. Okay.

Ja, und dann merkt man wieder, wir schneiden nichts raus, Freund, in der Podcast-Szene. Das ist wirklich... Ja, ihr sollt euch ja auch gut fühlen. Wir wollten noch was zur letzten Folge sagen.

Wir sind nämlich fehlerfreundlich. Darum geht's auch. Deswegen habe ich das extra gesagt mit dem Sex Sales.

Darum geht's auch jetzt, weil... Was heißt fehlerfreundlich? Nee, es geht gar nicht um Fehler. Wir haben uns total gefreut über all die Rückmeldungen. Viele Rückmeldungen.

Viele Rückmeldungen zur letzten Folge. Das hat uns total gefreut. Und ich weiß nicht, ob ihr es mitbekommen habt, aber der Hashtag Skinny Talk bei TikTok, der ist gesperrt worden.

Ich denke, das ist auch eine Auswirkung unserer letzten Folge. Genau, also da hat unser Podcast mal wieder richtig was bewegt. Ja, ja.

Gesellschaftlich. Und das Ergebnis sieht man jetzt auch schon bei TikTok. Oder man könnte sagen, wir sind der Zeit voraus gewesen.

Das ist ein Thema. Und jetzt, ne? Kann man auch sagen. Ja, ich finde es aber cooler zu sagen, dass unser TikTok dazu beigetragen ist.

Ja, ja, lassen wir das. Ich hätte nicht lachen dürfen. Egal, so.

Wir haben viele Rückmeldungen gekriegt. Und vor allem haben wir von euch die Rückmeldung bekommen, dass wir sehr, sehr wenig über Scham gesprochen haben. Und das fand ich total interessant.

Weil wir haben es nicht benannt. Aber wir haben eigentlich die ganze Zeit drüber geredet. Also für mich war es sehr klar, es ist ein extrem schambehaftetes Thema, über das ich spreche, auch aus persönlicher Sicht.

Nicht nur, was meine Kindheit betrifft, was meine Entwicklung, was mein ganzes Denken eigentlich auch betrifft, wie ich geprägt bin. Und deswegen war, vielleicht ist es deswegen auch so, dass diese Rückmeldung für uns besonders interessant ist. Weil für uns spielt das eine sehr große Rolle.

Das haben wir ja auch zu Beginn ganz offen gesagt, lange gedrückt vor diesem Thema. Eben weil es so persönlich und schambehaftet für uns auch ist. Genau.

Mir fiel noch mal das Zitat von Giselle Pellicot ein. Die Scham muss die Seiten wechseln. Das trifft irgendwie auch bei diesem Thema total zu.

Das wollten wir mit der letzten Folge Body Positivity und Fettshaming übrigens war das Thema. Das wollten wir damit deutlich machen. Aber ja, vielleicht hätten wir es öfter auch noch mal klar benennen müssen, dass es um Scham ging.

Wir danken euch auf jeden Fall echt total für all diese Rückmeldungen. Das fanden wir total überwältigend und einfach schön. Und so lernen wir auch noch mehr dazu.

Auch zum Beispiel, dass die Ursachen für Gewichtszunahme sehr, sehr komplex sind. Auch dazu gab es noch mal Rückmeldungen. Dass Genetik natürlich auch eine Rolle spielt.

Dass der Begriff Adipositas auch fragwürdig ist. Weil er auch so ein bisschen als diskriminierend auch benutzt wird. Und ja, das waren auf jeden Fall noch sehr, sehr gute Hinweise, die wir jetzt noch so dazulegen möchten.

Und wer die Folge noch nicht gehört hat, hört gerne rein. Wir freuen uns auch weiter über Rückmeldungen. Und heute reden wir auch über ein schamhaftes Thema.

Und wir freuen uns ja auch, wenn der Podcast zum Weiterdenken, zum Miteinander ins Gespräch kommen anregt. Also wir erheben auch gar nicht den Anspruch, alles zu sagen und alles abdecken zu können und alles zu benennen. Sondern es geht wirklich darum, euch auch, HörerInnen, Gesprächsimpulse zu geben, um miteinander und auch mit uns darüber ins Gespräch zu kommen.

Aber wir reden auch heute viel über Scham. Ja, total. Und ja, da reden wir auch drüber.

Wir reden nämlich, unser Gast heute ist Tobias Feix, vielen auch bekannt. Friend of the Podcast, wie wir erfahren haben, weil er wirklich selber sich als Stachel- und Herzfan bezeichnet. Er ist Theologe, Autor, Podcaster, Rektor an der CVJM-Hochschule in Kassel und Professor für praktische Theologie und außerordentlicher Professor an der Staatlichen Universität von Südafrika.

Er hat einen Podcast zusammen mit Thorsten Dietz, Karte und Gebiet heißt das. Und er hat auch zusammen mit Thorsten Dietz eine Reihe geschrieben, also eine Buchreihe geschrieben, Transformative Ethik. Es gab schon Wege zum Leben und jetzt neu, und darüber geht es auch in dieser Folge, vor allem Wege zur Liebe, also eine Sexualethik.

Er ist zudem Mitinitiator und aktiv bei UND Marburg. Das ist ein kirchliches Start-up, wo neue Formen von Kirche ausprobiert werden. Und wir haben ihn auch in Marburg auf dem Gelände, wo auch UND Marburg Gottesdienst feiert und Aktivitäten hat.

Dort sind wir hingefahren und haben dort mit ihm Sekt getrunken und Podcast aufgenommen. Und vorher haben wir noch so einen leckeren Kuchen gegessen, das war jetzt vor der Folge, das war auch echt gut. Also Marburg ist eine Reise wert, wir haben es genossen.

Es war ein wunderbares Gespräch. Wir gehen rein. Herzlich willkommen bei Stachel & Herz, Tobias Falks.

Schön, dass du da bist. Unser Gast zur hundertsten Folge. Hundert Folgen Stachel & Herz.

Wir haben uns in unserem Podcast überlegt, Menschen, die durch unterschiedliche Formen von Diskriminierung benachteiligt sind, das könnte ja jetzt jeder bei der hundertsten Folge, haben wir uns gedacht, so ein weißer Mann, das wäre es jetzt. Das ist richtig schön. Dankeschön, erstmal herzlichen Glückwunsch zur hundertsten.

Ich habe das ja im Vorfeld gehört und habe eine Flasche Sekt mitgebracht. Jetzt machen wir endlich mal ASMR für euch. Jetzt hier versuchen wir das mal live.

Der wollte schon immer mal anstoßen und was trinken. Jetzt hört ihr, Achtung, Achtung, Leute. Ihr macht die Sektflasche auf.

Genau, jetzt kriegt man das. Live im Podcast. Live im Podcast kriege ich das nicht auf.

Zum Glück seht ihr das nicht. Jetzt nimmt er seinen Pulli, weil er kriegt den Korken nicht ab. Dankeschön.

So, und dann schenken wir doch hier mal ein. Hört ihr das? Endlich ASMR für euch, Leute. Wow, toll.

Danke. Zur hundertsten Folge trinken wir ein Sektchen bei Stachel & Herz in Marburg. Das müssen wir auch dazu sagen.

Wir waren hier gerade schon lecker essen. Wir sind auf dem Gelände, wo auch der Lokschuppen ist, wo ihr mit eurer Gemeinde und Marburg Gottesdienst feiert, Gemeinde lebt. Genau, also hier aber jetzt erst mal auf euch.

Hundert Folgen, das ist großartig. Vielen Dank für euer Engagement. Ich glaube, das ist wirklich, früher hätte man gesagt Bildungsfernsehen, Bildungspodcast at its best, unterhaltsam, lehrreich, wirklich auch amüsant, ehrlich.

Also ich höre euch sehr, sehr gerne und bin deshalb auch wirklich ein bisschen aufgeregt und stolz, der hundertste Gast zu sein. Danke schön. Wow, danke schön.

Uns ehrt und freut das auch, weil du bist ja auch Podcaster und so unter Podcast Buddies, die wir ja sind. Und du gerade uns auch gestanden hast, wie oft du Stachel & Herz hörst. Das ist ja, da kickt dann ja auch gleich so ein bisschen Imposter, muss ich sagen.

Wenn der Prof dann sagt, er hört jede Folge und ich daran denke, wie ich von irgendwelchen ... Friseuren, Nachbarn erzählt habe. Ich kenne dein ganzes Universum. Und Ex-Freunden vor allem.

Ex-Freunde, genau. Ja, ja. Ja, das ist das.

Aber das finde ich, das macht es ja auch sehr persönlich und sehr authentisch, Stachel & Herz. Und man baut tatsächlich so ein bisschen eine Bindung zu euch auf. Und Thea, dich habe ich ja, glaube ich, heute zum ersten Mal so analog live gesehen.

Ja, genau. Wir kennen uns bisher nur digital. Genau.

Und immer deine Stimme aber im Ohr gehabt. Von daher ist es tatsächlich auch mal schön, dich richtig zu sehen und freue mich sehr. Schön.

Aber es ist immer so was, ich war letztens bei einer Synode und dann sprach mich so eine Superintendentin an und die hat mich auch mit irgendeinem Fun-Fact aus Stachel & Herz dann konfrontiert. Und ich dachte so, oh shit. Oh nein, das habe ich erzählt.

Und das sind dann so Momente, wo ich dann wirklich, wenn wir im Raum sitzen, sitzen wir ja zu zweit oder zu dritt im Raum und ich erzähle sowas. Und dann denke ich so, okay, du musst dir das ein bisschen vorstellen, als ob du das vor der Synode hörst. Wir vergessen manchmal so ein bisschen, dass ja auch Publikum ist, was uns zuhört.

Das macht es aber auch aus, ne? Ja, ja, schon. Ja, ja, genau. Also wir reden halt nicht so, wie wir vor Publikum reden würden, sondern halt eher so ein bisschen ungefilterter.

Ja. Aber was ich ja auch ganz häufig habe, also nicht häufig, aber was ich häufig gerne habe auf solchen analogen Events oder so, dass mich Leute ansprechen, weil sie mich an der Stimme erkannt haben. Du hast auch eine tolle Stimme, ne? Das ist sehr markant.

Aber das ist glaube ich so, wenn man dadurch, dass es auch so individuell ist und Leute manchmal auch Gesichter und so weiter sich nicht so merken können und Namen, dann hört man, heucht man auf und denkt, das kenne ich doch irgendwo her. So, wollen wir mal einsteigen? Wir wollen einsteigen. Dann gehen wir rein mit unserer fast neuen Kategorie Entweder-Oder-Frage.

Erste Entweder-Oder-Frage. Also, versuche zu vermeiden, so ein Beides zu sagen. Ja, entscheide dich einfach, sei mutig.

Unmöglich. Aber manchmal ist es nicht immer möglich, das wissen wir auch. Du hast nur einen Joker.

Ja. Da darfst du deine Interessen anrufen. Darf ich mich erklären? Ja, ja, auf jeden Fall.

Okay, gut. Es ist nicht nur Ja-Nein. Es ist schon Entweder-Oder-und-Weil.

Schuld oder Scham? Was erlebst du als das größere Hindernis für Veränderungen in der Kirche? Es geht gut los. Also, es kommt ja immer ein bisschen auf den Kontext an. Ich würde sagen, in Leitungsebenen eher Schuld und in der Basis eher Scham.

Also, ich erlebe das, dass ich schon sagen würde, in manchen Leitungsebenen macht man sich durch bestimmte Nichtreformen oder Nichtumsetzungen oder Nichtaufarbeitungen schuldig an Menschen. Und ich erlebe das, dass an der Basis manchmal über auch Leitung, und da meine ich nicht nur jetzt Kirchenleitung, sondern auch so mittlere Ebene nennt sich das in der Kirche, dass da so eine gewisse Beschämung da ist. Manchmal über die Leute, aber dass auch manchmal Ehrenamtliche oder Hauptamtliche beschämt werden, weil mit ihnen nach einer DIN-Vorschrift umgegangen ist und sie das sehr stark als Scham erleben, wie mit ihnen umgegangen wird und wie wenig menschlicher Zwischenraum manchmal da ist.

Deshalb würde ich da so ein bisschen unterscheiden. Und ich glaube, dass das Thema Scham ein Thema ist, was vielleicht auch noch im Laufe des Gesprächs ein paar Mal kommt, weil das ein Thema ist, wo wir als eher schuldorientierte Kultur erst noch richtig umgehen lernen müssen. Und das ist, finde ich, ein ganz spannender Punkt.

Total spannend. Also vor allem, weil wir das auch aus unserer eurozentrischen Wahrnehmung als so normal hinnehmen. Das denkt man halt in Schuldzuweisungen.

Und das merke ich auch gerade schon bei unseren Kindern zum Beispiel, wie früh das auch anfängt, diese Sozialisation in Schuldzuweisungen zu denken. Das ist so, dass ich oft auch zu unserem Sohn ist das ganz häufig so, dass ich dann sage, es geht doch jetzt gar nicht eigentlich nur darum, lass uns doch eine Lösung finden. Aber in einem sechsjährigen Kopf, das schon so drin ist, nee, aber es geht auch schon darum, wer schuld ist.

Und so, nee, eigentlich ist unsere Erziehung auch nicht so. Also zumindest denken wir das so. Ja, finde ich total spannend.

Also nächste Entweder-oder-Frage. Strukturwandel von oben oder von der Basis von unten? Du bist ja auch in einigen Gremien. Du bist in der Synode deiner Landeskirche.

Du bist auch in der EKD auch viel unterwegs. Und würdest du sagen, dass das Potenzial für mehr oder echte Veränderung eher von der Basis ausgeht? Ich meine, wenn wir uns hier bei unten Marburg, bei eurer Gemeinde umgucken, dann ist es ja eher von der Basis heraus entstanden. Aber dennoch bist du gleichzeitig so in der Synode und in der EKD aktiv.

Und jetzt sag nicht beides. Jetzt kommst du aber, glaube ich, bei den Nächsten. die verbindend sind und so weiter.

Und das ist Kirche. Also davon lebt Kirche. Das macht Kirche aus.

Das macht den Unterschied. Da würde ich sagen, das ist das. Evangelische Kirche ist eine Ehrenamtsbewegung eigentlich.

Also das ist das, was ich von Luther auch nochmal stark machen würde und so weiter. Eine Laienbewegung. Und doch ist Kirche eben auch eine große Institution.

Ist eben nicht nur Bewegung. Hat eine große Tradition. Über 500 Jahre evangelische Kirche.

Und da lassen sich einfach gewachsene Strukturen nicht von der Basis einfach ändern. Das geht dann nicht mit Transformation. Das würde mit Revolution gehen.

Und deshalb braucht es auch die strukturelle Veränderung von den Leitungsebenen. Also von den Leitungsebenen selbst. Und da, wo die Macht auch zentriert sind.

Und wir sind als Evangelische Kirche hier ganz demokratisch über Synoden aufgebaut. Kreissynoden, Landessynode, dann EKD-Synode. Also da ist ja schon diese Idee dieser Basisbewegung in die Macht hinein.

Aber wenn man ganz ehrlich ist, natürlich ist das so professionalisiert, dass am Ende die Gremien ganz stark sind. Und da muss auch ein Reformimpuls von ausgehen. Und wir sehen das ja auch in den einzelnen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche, wie unterschiedlich das ist.

Wie unterschiedlich Druck gemacht wird von der Basis und wie unterschiedlich auch von den Leitungsgremien Reformen zugelassen werden. Oder wir könnten ein ganz unangenehmes Thema ansprechen. Aufarbeitung sexualisierter Gewalt.

Wie unterschiedlich das läuft in den einzelnen Gliedkirchen, in Diakonie und so weiter. Und das hat natürlich was mit der Leitungsebene zu tun und mit der Macht auch, wie da mit Dingen umgegangen wird. Und deshalb glaube ich, am Ende ist es schon sehr wichtig, wie auch eine Leitungsebene mit Macht umgeht, mit Strukturwandel umgeht, wie viel Freiheit sie lässt und so weiter.

Ich bin ja in der Rheinischen Kirche in so einer Zehn-Jahres-Begleitforschung für die Erprobungsräume. Das ist ein super Privileg, wenn man mal so eine Langzeitstudie macht. Und die Erprobungsräume sind wirklich total super und innovativ und so weiter.

Aber wir sind jetzt so bei der Hälfte und man muss einfach sagen, wenn die Kirche sozusagen in ihrer Leitungs- und Organisationsstruktur die nicht anbindet, dann werden die sich sozusagen wegbewegen. Also es muss am Ende tatsächlich zusammenkommen, organisatorisch, strukturell, inhaltlich und so weiter. Sonst können die erstickt werden oder sie können eben sozusagen ein schönes Beiwerk sein, mit dem man sich schmückt, wo man sagt, naja, also Kirche, das ist ja toll, wir haben hier Erprobungsräume, guckt mal, wie fancy das ist.

Da haben wir irgendwie ein paar Millionen reingesteckt und die heften wir uns wie so ein Orden ans Revier. Aber die Kirche verändert sich dadurch überhaupt gar nicht. Und das ist glaube ich, da muss dann tatsächlich was Größeres geschehen.

Du hast eben schon das Thema Machtmissbrauch auch angesprochen. Wenn es um Machtmissbrauch und Diskriminierung geht, was glaubst du, was Kirche mehr braucht? Klare Regeln und Sicherheit oder mehr Freiheit und Offenheit? Ihr habt echt gemeine Fragen. Da ist jetzt so ein bisschen beides zu genau.

Also natürlich, es braucht auf der einen Seite, evangelisch ist erstmal die Konfession der Freiheit. Von der Gründungs-DNA über die Jahrhunderte hindurch ist evangelisch sein immer auch frei sein. Das ist glaube ich total wichtig und kann man auch nicht diskutieren.

Aber wir haben eben auch gelernt, dass Freiheit durch Strukturen, Institutionalisierung eingeschränkt werden kann. Wir haben gelernt, gerade das Thema sexualisierte Gewalt. Also jede Freiheit hat auch die Grenzen, die eben bei den Menschen neben mir, links und rechts und vor und hinter mir anfängt.

Wo beschneide ich andere Freiheiten durch meine Freiheit? Und das sind glaube ich lauter Themen, wo es natürlich auch Sicherheit braucht und wo Menschen auch Sicherheit brauchen in ihrer Entwicklung und so weiter. Und da würde ich schon sagen, brauchst du auf der einen Seite Freiräume, strukturelle Freiräume und auf der anderen Seite brauchst du auch eine klare Sicherheit. Und ich habe ja früher immer ganz stark Werbung gemacht für das schöne Wort Ambiguitäts-Toleranz.

Und da würde ich aber auch sagen, jede Ambiguitäts-Toleranz hat ihre Grenzen. Das würde ich sagen, habe ich gelernt in den letzten Jahren. Jede Freiheit hat ihre Grenzen oder wenn wir hier in Marburg sind, auch ein Und hat seine Grenzen.

Und deshalb würde ich da immer sagen, nee, das brauchst du auch. Und wir leben in einer Zeit, wo ein hohes Sicherheitsbedürfnis da ist. Also die junge Generation, Corona geprägt, Kriege in Europa, Konflikte, Unsicherheiten.

Es war für Jürgen Boltmann leicht, Hoffnung zu proklamieren in einer Zeit, wo alles kaputt war und es nur besser werden konnte. Aber wie ist es in einer Zeit, wo alles vielleicht schlechter wird? Auch in der Kirche. Auch in der Kirche, ja, ja.

Spannend. Konflikte aushalten oder versöhnen? Lieber die Spannungen und Konflikte in der Gemeinde aushalten oder möglichst schnell um Versöhnung und Konsens ringen? Also mein Herz sagt versöhnen. Mein Herz sagt Ringe um Versöhnung, wo es immer geht.

Meine Erfahrung sagt, auch Versöhnung kommt manchmal an die Grenzen. Und da bin ich ganz stark von Südafrika geprägt. Ich bin ja so in dieser Postapartheit 2000 zum ersten Mal in Südafrika gewesen.

Da waren gerade noch so die Ausläufer dieser Versöhnungskommissionen. Und dort wurde Versöhnung sehr stark auf Gnade angelegt und zu wenig auf Gerechtigkeit. Und das rächt sich jetzt.

Auch eine Gnade braucht eine Gerechtigkeit und braucht eine Rechtfertigung hier auf Erden. Und das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt. Deshalb würde ich manchmal heute auch mehr aushalten und die Versöhnung vielleicht mit mehr Gerechtigkeit ausstatten, als dass ich es früher gemacht hätte.

Früher war ich immer so ein schneller Versöhner. Und das ist immer noch so. Aber ich habe manchmal auch bitter gelernt, dass Gerechtigkeit wichtig ist, damit ein Frieden auch für alle Seiten nachhaltig ist.

Also in den Versöhnungskommissionen war es ja oft so, dass die weißen Farmer zum Beispiel sich entschuldigt haben für ihr Unrecht und das Land, das sie sich genommen haben und so weiter. Und dann haben die schwarze Bevölkerung dann den vergeben öffentlich. Und dann sind aber beide wieder zurück.

Und die einen sind auf ihre reiche Farm und die anderen sind ins Township. Und das geht nicht. Gerechtigkeit muss sich dann auch manifestieren hier.

Und das sind jetzt große Konflikte, 25 Jahre später, um Landverteilung und so weiter, die damals eigentlich angelegt waren. Da muss ich jetzt einmal nochmal kurz. Also Versöhnungskommission Südafrika, zu viel Gnade und zu wenig Gerechtigkeit.

Das finde ich total spannend, wie du das sagst. Ja, es tut mir leid. Und ich bin da eigentlich auch gar nicht befugt als weißer deutscher Mann ein Urteil zu.

Nee, nee, aber ich will das nochmal dazu sagen. Ich bin ja immer Gast nur da in Südafrika. Ich habe da studiert.

Ich habe viele Freundinnen und Freunde. Und mich zerreißt es manchmal so, weil ich so dazwischenstehe. Und von außen ist es manchmal auch leicht da drauf zu schauen oder ich finde es schon schwer genug.

Aber für die Leute ist es wirklich existenziell. Und diese alten Wunden der Apartheit, die reißen gerade wieder vermehrt auf. Ich habe jetzt mit einem Kollegen, auch praktischer Theologe, in meiner Uni gesprochen.

Ich bin da noch Gastprofessor. Und die haben jetzt in ihrer Kirche wieder zwei Gottesdienste eingeführt, für Weiße und für Schwarze hintereinander. Dabei können die Weißen ja jetzt zu Trump in die USA kommen.

Ja, das ist lächerlich. Sorry, das ist lächerlich. Also natürlich gibt es da auch Unrecht.

Gar keine Frage. Natürlich gibt es da auch Unrecht. Und natürlich würde ich immer sagen, auf allen Seiten, Gewalt ist keine Lösung.

Aber es ist wahnsinnig kompliziert. Und dieser Konflikt ist jetzt eben seit 30 Jahren praktisch geschwelt. Und da hat man natürlich, ich liebe auch Mandela und hier Regenbogenland und so weiter, was haben wir das gefeiert alle.

Aber es wurde auch ein Preis gezahlt dafür. Und dieser Preis war diese nicht durchgeführte strukturelle Gerechtigkeit. Wobei ich schon sagen muss, dass gerade Versöhnungskommissionen, wir kommen gleich wieder zurück zum Thema Thema, aber ich muss einmal kurz noch.

Also ich habe jetzt, als ich in Südafrika war, wir waren ja in dem Center for Healing of Memories, ich war bei Michael Epsley und haben da eine Szene gesehen aus der Versöhnungskommission, in der Winnie Mandela gesprochen hatte. Und Desmond Tutu auch geweint hat und so. Und das ist eine Szene, die man wohl nicht so häufig so sieht.

Und da ist mir nochmal die Komplexität nochmal mehr wieder vor Augen gekommen. Weil es war ja nicht nur so, dass Weiße Pharma gesprochen haben, sondern dass schon auch Menschen mit ihren Abgründen konfrontiert worden sind. Und dann kann man natürlich sagen, naja ist das jetzt so gut, du musst jetzt irgendwie um Entschuldigung bitten, wie so ein Kind, was irgendwie was Böses gemacht hat und sich jetzt entschuldigen muss, weil die Eltern das so sagen oder so.

Und gleichzeitig aber auch dieses Aussprechen und irgendwie, wie du gerade schon gesagt hast, man muss ja irgendwie existieren, man muss ja irgendwie weitergehen. Und wenn ich mir dann so angucke, okay, wie wurde in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg weitergemacht, dann denke ich mir, okay, ja gut, dann eher wenigstens das. Absolut.

Also das sollte auch überhaupt nicht rüberkommen als, ich finde das nicht gut, ich finde das sensationell. Also ich habe unglaublich viel gelernt. Also das hat ja mein Leben auf den Kopf gestellt.

Aber es ging ja um diese Frage, was hat vielleicht gefehlt? Wo guckt man jetzt drauf und sagt, okay, da war ein Missing Link. Und wo gehören, und das ist ja auch nochmal die Frage, Entschuldigung, aber bei der Aufarbeitung der Kirche beim Thema sexualisierte Gewalt, da ist das genau unser Thema, Gnade und Gerechtigkeit. Und ich war einmal dabei, vor zwei Jahren, bei einer Szene, wo ein Pfarrer, ein Täter sozusagen die Gnade von der Betroffenen eingefordert hat.

Und das hält man fast nicht aus. Also da sind, und da würde ich sagen, das gehört eben zusammen. Und da können wir was lernen, ja auch aus der Geschichte.

Du hast vorhin auch über Revolution und Reformation usw. gesprochen und die Kirche ist ja auch so eine alteingesessene Institution mit Hierarchien und Machtverhältnissen usw. Sollte die Kirche vor allem kritisch mit Macht umgehen oder sensibel Macht gestalten und nutzen? Also ich glaube, jetzt ist erstmal die Zeit der Machtkritik.

Also ich glaube, wir müssen Machtkritik, und das meine ich jetzt tatsächlich selbstkritisch, Kirche muss selbstkritisch werden im Gebrauch ihrer Macht und muss sich von außen das auch zusprechen lassen. Weil ich glaube, man hat über Jahrzehnte eine Organisationsstruktur aufgebaut, in der man auch ein Stück Macht blind wurde. Und das ist glaube ich etwas, was jetzt auch schon aufgebrochen ist, wo es gute Anzeichen gibt, um dann neu zu lernen, machtsensibel umzugehen.

Aber wir haben ja, wir könnten jetzt über das Thema Rassismus und Kirche, also es ist ein ganz großer blinder Fleck, weil wir sind ja als Kirche die Guten. Wir sind doch die Guten und bei uns ist doch das gar kein Thema. Wir haben das doch intellektuell total durchdrungen.

Stimmt auch intellektuell, aber praktisch nicht, organisationstheoretisch nicht, ja und so weiter. Und da, deshalb würde ich sagen, Machtkritik wäre da mein erster Punkt, um mich einmal zu entscheiden. Ja, danke schön.

Juhu, vielleicht lasse ich bei der letzten jetzt auch noch. Individuelle Freiheit oder Gemeinwohl? Was wiegt für dich schwerer, wenn es um ethische Entscheidungen geht, die individuelle Freiheit oder das Wohl der Gemeinschaft? Als Ethiker würde ich ja sagen, es kommt auf den ethischen Fall drauf an. Und das, also natürlich würde ich auch erstmal sagen, wer eine Ethik zum Selberdenken schreibt, der muss die individuelle Freiheit hochhängen.

Also das geht ja gar nicht anders. Ethik ohne individuelle Freiheit gibt es gar nicht. Also von daher finde ich das total wichtig.

Aber ich glaube, wir unterschätzen manchmal, wie stark das Gemeinwohl, der Zeitgeist, die Kultur, in der wir leben, die Gesellschaft, unser individuelles Handeln prägt. Also wir denken zwar, wir entscheiden individuell. Meine Frage wäre, tun wir es überhaupt? Oder ist die soziale Erwünschtheit so groß, dass ich eigentlich danach entscheide? Und es gar nicht merke.

Genau, und es gar nicht merke. Also ich unterrichte ja Ethik und so weiter. Und ich habe seit 10 Jahren das Thema selbstbestimmtes Sterben.

Und da würde ich sagen, da hat sich in 10 Jahren unglaublich viel verändert. In 10 Jahren war am Anfang, wenn wir das gemacht haben, waren alle Studierenden, gerade aus christlicher Prägung, z.B. von der Elmhochschule, also nee, selbstbestimmtes Sterben, das ist also nicht richtig. Da wurde es noch theologisch und so weiter.

Aber da hat sich in unserer Gesellschaft was getan. In unserer Gesellschaft ist selbstbestimmtes Sterben mittlerweile vielleicht sogar sozial erwünscht. In einer sehr stark auch marktorientierten, kapitalistischen Gesellschaft, wo alles seinen Werten, seinen Preis hat und alle müssen was bringen für die Gesellschaft und so weiter.

Und viele ältere Menschen fühlen sich z.B. nutzlos. Was gebe ich denn der Gesellschaft noch? Hier liegt ja nur auf der Tasche und so weiter und so fort. Und hier wird ein gesellschaftliches Bild auch vermittelt und eine soziale Erwünschtheit, die natürlich das Individuum beeinflusst in der individuellen ethischen Entscheidung.

Deshalb glaube ich, ist das gar nicht so einfach. Das merken wir auch in unseren ganzen Bubbles, in denen wir drin sind. Nehmen wir das Thema Geflüchtete, was jetzt wieder politisch so aufgeladen ist und durch die neue Regierung.

Und da wird darüber einen guten Diskurs. Wie gelingt Integration in unserer Gesellschaft? Das ist gar nicht möglich. Wie können wir Ursprungsländern helfen mit Konflikten umzugehen, um Fluchtursachen zu verhindern? Darüber reden wir gar nicht mehr.

Und das ist das, was so ein Diskurs aufheizt und dann trauen sich manche Leute gar nicht mehr, was individuell eine Meinung zu sagen. Wenn ich was Kritisches sage, dann ist man gleich rechts oder sowas. Aber überhaupt nicht.

Wenn ich sage, Gaza, Israel. Natürlich weise ich um unsere geschichtliche Verantwortung. Natürlich stehe ich auch auf der Seite Israels.

Und trotzdem muss ich manches Handeln auch kritisieren. Weil das nicht geht. Aber getraue ich mich das noch? Wie ist die soziale Erwünschtheit in der Öffentlichkeit? Deshalb, es hängt da auch sehr stark zusammen.

Und auch bei dem Thema nochmal in einer weiß-dominierten Kirche. Das finde ich auch in einer Kirche wie unserer doch sehr unausgesprochen vieles. Ja, danke für diese superschnelle Anfangsrunde.

Ja, an die Hörerinnen und Hörer da draußen. Heute wird es ein bisschen länger dauern. Es tut uns leid.

So richtig knackig beantwortet. Nein. Aber vielleicht geht das ja jetzt so weiter.

Wir fragen alle unsere Gästinnen. Jetzt kommen wir zu einem Punkt, den finde ich eigentlich länger ganz schön. Ne, den mache ich ganz kurz.

Okay, ich bin gespannt. Wir sind gespannt. Was sind drei Fun Facts über dich, die man nicht googeln kann? Ja, ich wusste ja, dass diese Frage kommt, weil ich ja eure Podcasts immer höre.

Und deshalb habe ich mir da tatsächlich ein Genre sozusagen ausgesucht. Ich bin, also seit ich ganz klein bin, habe ich immer verschiedene Jobs gemacht. Und ich habe in meinem Leben ganz viele Jobs gemacht als Teenager, Jugendlicher, junger Erwachsener während dem Studium usw.

Bis ich halt dann irgendwie einen ordentlichen Job hatte. Und ich habe mir drei Sachen ausgesucht. Einer meiner ersten Jobs so als Zwölfjähriger war, ich habe Solinger Messer verkauft.

Also das heißt, ich habe so Solinger Messer in jeden Briefkasten im Dorf geschmissen. Ja, und da war so ein Zettel außenrum. Also ein bisschen was Bedrohliches.

Man öffnet den Briefkasten und da ist erstmal so ein Messer drin. Aber die hatten so runde Klingen und so Solinger Messer. Ganz berühmt gewesen.

Ja, ja, also ich meine, wir kommen ja aus der Region. Solingen ist ja… Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Aus der Region, habe ich gesagt.

Das alte, alte Streit. Für uns als Hessen ist das eins. Nein, nein.

Versöhnung und Gerechtigkeit, egal. Da kommen ja noch mehrere skurrile Jobs. Ja, ja, kommen nur noch Jobs.

Moment, ich will jetzt erstmal hier, das mit dem Solinger Messer. Und dann eine Woche später habe ich geklingelt überall und dann mussten die Leute entweder das Messer wieder mit zurückgeben oder halt konnten sie was kaufen oder ein ganzes Bestandsset. Ach so, wie Staubsaugervertreter.

Ja genau. Nur mit Messern. Mit Messern und Gabeln und Löffeln.

Mein Highlight war sozusagen, ein 72-teiliges Bestandset zu verkaufen an jemand. Und das waren 72 Mark, weil ich habe eine Mark für jeden. Und da hast du Provisionen dann bekommen? Genau, pro Messer oder Löffel oder sowas.

Pro Messer, also pro Bestandteil hast du dann eine Mark bekommen? Genau. Aber das waren ja auch noch andere Zeiten, Tobias ist ja schon älter. Ja, genau.

Da war das noch mehr wert. War das denn D-Mark? D-Mark. Ja genau, das muss ja auch nochmal dazu sein.

Also 50 Cent. Ja genau, genau, genau. Und ich bleibe mal bei Jobs.

Und der zweite Job während dem Studium, da habe ich drei Jahre in einer Buchbinderei gearbeitet. Das war sehr spannend und ich hatte einen alten Schweizer Buchbindermeister, der so in allem, ich glaube, genau das Gegenteil war wie ich. Ich war jung, langhaarig, wild, ungenau, Machertyp.

Der war klein, sehr gewissenhaft. Ein Millimeter war eine Welt für ihn. Und das erste Jahr war wirklich Horror, weil ich konnte nichts gut genug machen.

Aber das zweite und dritte Jahr war dann richtig gut. Und ich habe unglaublich viel gelernt, alte Bücher zu restaurieren, eigenen Leim anmachen. Und das war, da habe ich eine ganz große Liebe zu Büchern entwickelt.

Also erst lesen, dann restaurieren und dann schreiben. Das war sozusagen meine... Und genau, das habe ich dann hinterher sogar mal Werkzeug gekauft, habe ich mir ab und zu noch eigene Bücher oder meine Bibel in Leder eingebunden, die ich immer gelesen habe und so. Also das war so etwas, was ganz schön ist.

Dritter Job, dritter Funfact. Ich habe zweieinhalb Jahre in der Gynäkologie gearbeitet. Während meines Masters in Stuttgart, Robert-Bosch-Krankenhaus, Grüße gehen raus.

Ein halbes Jahr jeden Tag und dann zwei Jahre lang jedes zweite Wochenende und immer Mittwoch, Donnerstag so eine Schaukelschicht. Was hast du da gemacht? Ich weiß jetzt nicht, was für Details. Doch schon gerne.

Ja, auf jeden Fall. Ja, genau. Also ich war sozusagen Hilfskraft.

Damals durfte ich noch relativ viel. Heute ist das ja eingeschränkter. Aber ich habe vor allen Dingen Frauen vorbereitet auf OPs, Schwangere begleitet, die nicht mehr aufstehen konnten, die vielleicht sogar zwei, drei, vier Monate dort in unseren sogenannten Schwangerschaftszimmern waren.

Dann natürlich nach den OPs Frauen begleitet, mit Wunden sauber gemacht und so weiter. Auch Frauen begleitet nach ihren Abtreibungen und Ausschabungen und so weiter. Also für mich war das eine ganz, ganz wertvolle Zeit, weil das eine Zeit war, die mich auf der einen Seite als so ein bisschen konservativ-pietistisches Kind irgendwie völlig überfordert hat.

Die ersten Assistenzen am gynäkologischen Stuhl, morgens mit 15 Scheidenspülungen einzufangen und so weiter, das war für mich völlig überfordernd. Und trotzdem habe ich unglaublich viel gelernt, mit existenziellen Situationen umzugehen, Frauen zu begleiten, Themen zu besprechen, weil ich hatte nur den Spitznamen Pfarrer. Also niemand hat mich Tobias genannt oder so, sondern ich war immer nur der Pfarrer.

Und na ja, in so einem riesigen Krankenhaus mit jeden Tag, hatten wir ungefähr 12 bis 15 OPs, hatte niemand einfach Zeit, sich um die Patientinnen zu kümmern. Und dann wurde eine Krebsdiagnose bestellt und dann wurde durch den Gang gebrüllt, Pfarrer kommen! Und dann wusste ich, ah, okay, da kriege ich jetzt ein bisschen Zeit und hab eine halbe Stunde oder so mit der Patientin zu reden und so weiter. Und das war, ich würde sagen, habe ich mehr gelernt als in meinen Seelsorgevorlesungen, die auch gut waren.

Aber ja, also da gab es viele Überforderungssituationen, aber auch sehr viele Lernsituationen. Spannend, total gute Fun Facts. Ich habe letztens von skurrilen Nebenjobs gehört, ich weiß gar nicht mehr, wo es war, aber da hat einer erzählt, ich denke im Radio, dass sie Sexkinos geputzt hat.

Ach, das ist auch, boah! So, aber für die Hörer nicht, dass das jetzt durcheinander gebracht wird, Tobias Falks hat keine Sexkinos geputzt. Nein, nein, nein. Weil wir jetzt heute auch über Sexualethik sprechen und so und du ja auch deinen pietistischen Hintergrund so ein bisschen angesprochen hast, hat das auch für dich so ein bisschen dazu geführt, weil ich kenne das so, wenn Leute so aufwachsen, dass da auch unglaublich viel Mystik und Geheimnisvolles und auch ganz viel angestaute sexuelle Gefühle sind, hat das das auch ein bisschen den Frauenkörper auch so ein bisschen entsexualisiert vielleicht? Ja, total.

Also ich sage jetzt mal, sexuelle Gefühle gibt es auf der Günne nicht. Also es ist wirklich ein ganz normaler Arztbetrieb halt und es geht hier, du hast da deine Listen, die du abarbeitest und so weiter. Also ich habe überhaupt erst mal mich mit Körperlichkeit auseinandersetzen müssen, ja.

Also meine Eltern haben schon versucht, mich irgendwie gut aufzuklären und irgendwie mich da aufs Leben vorzubereiten, aber ich bin schon in einer Bubble aufgewachsen, wo man sagen würde, heute nennt man das Purity Culture, heute hat man, früher hieß das dann True Love Weights oder sowas, ja, in meiner Jugend und wahre Liebe wartet und so weiter. Und genau, das war ganz witzig, weil in der Zeit habe ich auch noch in Stuttgart in einer Frauen-WG gewohnt und hatte meine erste Freundin und also das war so, genau, war eine wilde Zeit und ich habe Frau sein in allen Facetten nochmal neu kennengelernt. War lehrreich.

Spannend. Wir waren ja beim Kirchentag und ihr wart auch beim Kirchentag. Wir haben uns gerade schon über die Akustik-Mikrofone unterhalten.

Ja, beschwert. Das musst du mir jetzt sagen, aber ja. Ja, ja, ja, liebe Kirchentagsleitung, wenn du das hörst, wir hätten nächstes Mal gerne einen wertschätzenden Raum für Podcastaufnahmen.

Auch von der Tonqualität, weil, ja, ich habe mir eure Folge Karte und Gebiet angehört, du hast dir unsere angehört Sehr angestrengt, stimmlich. Wir haben alle viel geschrien, aber du kannst es trotzdem gut hören. Ja, das ist echt, also, naja, egal.

Nächstes Thema. Kirchentag war toll. Kirchentag war toll.

Ich wollte dich einfach mal fragen, wie du die Abschlusspredigt dieses Jahr fandest, weil ich fand es schon erstaunlich, letztes Jahr haben wir alle super viel über die Abschlusspredigte geredet, auch in unserem Podcast. Wir hatten dann Quinten ja noch mal bei uns im Podcast und Thorsten Dietze auch da. Der hat ja hinter so einem Blogbeitrag auch zu Gottes Queer geschrieben und da gab es eine Folge zu.

Und jetzt ist es so, irgendwie, ja, war nett, war, ich fand, auch progressiv. Also, wer Hannah Reichel dazugehört hat, hat schon vieles raushören können. Und ich fand sie jetzt eigentlich, die Predigt, nicht weniger progressiv als das, was ich in Nürnberg gehört habe.

Und trotzdem war der Aufschrei hinterher doch sehr gering. Wie fandst du die Predigt und wie würdest du das einordnen, dass relativ wenig im Gegensatz zur letzten Abschlusspredigt des Kirchentages darüber geredet wird? Ja. Es ist, finde ich, eine sehr spannende und wichtige Frage, weil es wieder auf diese Rhetorik ganz stark kommt.

Weil ich würde sagen, inhaltlich waren die Predigten gar nicht weit auseinander. Und gerade wenn ich noch dieses Lied davor von Überflows, ja, von Lukas Klette, ein großartiger Rap, der ja der Kirche links und rechts einen um die Ohren haut. Ja.

Alter, ehrlich, ja, wie wird es mit der Liebe sein? Ja, und dann sagt er eben, dass das überhaupt nicht funktioniert. Ja, und dann hat Hannah Reichel gepredigt, sehr klug, sehr prägnant auch, sehr richtig. Ja, genau, da hat man sich alle nochmal irgendwie an den Armen gefasst, hat nochmal das Kirchentags-Motto gesprochen, hat nochmal auf das AfD-Verbotsinitiative hingewiesen.

Ja, und dann ist man auseinandergegangen. Es war doch schön. Also es war richtig schön.

Und wenn ich mir die Bilder anschaue, da waren People of Color, Menschen mit Behinderung immer im Bild. Also es war eigentlich perfekt. Ja, ne? Genau, und wenn Kirche jetzt nur 10% von dem, was sie da inszeniert und gezeigt hat, in die Realität holen würde, dann wären wir richtig weiter.

Da muss ich mich einmal echt aufregen. Und ich finde, das ist so typisch evangelisch, in der Theorie sehr gut, ja, und dann auch dort im Fernsehgottesdienst, ja, sehr gut initiiert. Und es war alles richtig.

Aber die Fallhöhe dann, die ist dann schon groß in die Realität. Und da würde ich mir wünschen zu sagen, da müssen wir mehr jetzt über Umsetzungen reden. Ja, und warum hat das nicht so eine Welle geschlagen? Naja, es hat dieser Satz gefehlt.

Man lässt keinen Menschen ertrinken, Punkt. Gott ist queer, Punkt. Und diesmal? Gott ist Liebe.

Und die Mitte sowas sloganartiges. Ja, aber ist das dann, ich meine, ich muss sagen, bei Quinten war es so, ich kannte die Predigt vorher und dachte so, wow, wow, wow, wir trauen eurer Liebe nicht. Das fand ich ja tatsächlich das Krassere, Gott ist queer, wo ich so sagte, willst du dich das wirklich trauen? Und jetzt war jetzt dieser Satz nicht drin bei Hannah, aber trotzdem war es vom Inhalt her so.

Wo ich mich wirklich gefragt habe, wie machen wir es denn jetzt? Weil auf der einen Seite haben wir ja, du kannst jetzt nach über zwei Jahren Leute fragen nach Quintens Predigt. Es hat vielen Menschen zum Nachdenken gebracht. Es war durch diese Sätze auch ein echtes Geschenk.

Wo ich gedacht hätte, im Vorhinein, ich hätte zu viel Angst gehabt, das so zu machen. Und jetzt war es aber so, der Inhalt war da und ich hatte so das Gefühl, haben die nicht zugehört oder so? Also Hannah hatte ja auch diese Transflag-Sonnenbrille auch vorne so reingesteckt. Wo ich auch so dachte, das ist auch so ein krasses Statement.

Auch als nichtbinäre Person da zu stehen mit so einer Transflag-Sonnenbrille. Und die Inhalte, die waren echt progressiv. Wo ich mich echt gefragt habe, wie macht man es denn jetzt? Oder hört man da so drüber hinweg? Weil das ist ja auch schade, weil da war so viel Tiefe drin.

Die war so stark, die Predigt. Also ich versuche mal vom Genre her. Also Quintens Predigt war für mich so eine alttestamentliche Propheten-Predigt.

Direkt aus Jeremia, Hosea oder so raus. Und so war die. Die hatte Wucht, die hatte Power, die hat die Leute im besten Sinne umgehauen.

Manche vor Ärger, manche auch vor Nachdenken und so weiter. Und das war jetzt, na ja, also eine Theologie-Professorin. Also das war jetzt eher eloquent, jeder Satz hat gesessen.

Das war durchdacht, auch wirklich zum Nachdenken. Aber du musstest nachdenken. Was bedeutet das, wenn die Liebe Gottes der Puffer ist zwischen uns? Ganz, ganz stark.

Also ganz, ganz starke Sätze. Aber man müsste jetzt ein Seminar dazu machen. Man braucht eine Auslegung, man braucht eine Diskussion.

Man braucht jetzt eigentlich den Podcast dazu. Was heißt das? Wie passt es, dass Gottes Liebe keine Grenzen hat? Und man sagt in derselben Veranstaltung, wir wollen die AfD verbieten. Wie geht das zusammen? Was bedeutet das jetzt? Wie gehe ich damit um? Wie gehe ich mit meinem Onkel um, der AfD wählt? Was heißt diese Liebe Gottes jetzt da? Wie zeigt sich dieser Puffer, der uns verbindet? Und ich finde, das hat sie wirklich klug gemacht, dass sie nicht in eine romantisierende Liebe reingekommen ist, sondern in eine kraftvolle, in eine Liebe, die tatsächlich auch Gerechtigkeit aushält.

Und diese Grenzen fordert sogar. Und wie gehen wir jetzt damit um? Das wäre jetzt die spannende Frage. Aber da war dann irgendwie, ja, ich glaube, es ist vorbei.

Und dann war zu wenig, wo man sich daran festhalten konnte. Ja, spannend. Aber ich fand die Predigt super.

Und ich fand gerade mit dem Rap von Lukas, den fand ich auch sehr, sehr mutig. Ja, und das alles im ARD, ne? Ja. Also konservatives Publikum auch im Öffentlichen.

Und man muss auch noch mal dieser Kirchentagsleitung wirklich auch mal Danke sagen, dass sie den Mut haben, solche Leute wie Quinten oder Hannah oder so auch die Bühne zu geben. Ja, man könnte ja auch irgendwelche Bischöfe da die Bühne geben, ja, und Bischöfinnen, ja. Also das ist ja das, was irgendwie alle erwarten.

Und da den Mut zu haben, zu sagen, nee, wir wollen hier jungen Christinnen und Christen eine Stimme geben. Wir wollen ihnen Sichtbarkeit geben. Das ist genau der Punkt.

Ja, wir reden ja nachher über Sexualethik und Intersektionalität usw. Aber wenn wir das nicht machen, dafür ist es einfach unglaublich wichtig. Und das muss jetzt aber runtergebrochen werden.

Ja, im Grunde müsste jeder Kirchenkreis und jede Kirchgemeinde sich diesen Gottesdienst jetzt noch mal anschauen gemeinsam und sagen, was heißt das jetzt für unseren Alltag, ja. Wo müssen wir Leuten Sichtbarkeit geben? Wo müssen wir Leuten Raum geben? Wo müssen wir uns mit anderen Kirchen oder Organisationen zusammentun, weil wir es gerade nicht können? Das ist ja, nicht alle müssen alles sofort umsetzen, ja. Aber diese Bereitschaft und diese Haltung lernen, das ist, glaube ich, das, was so entscheidend ist.

Und da tun wir uns einfach schwer. Wir finden es oft als Evangelische gut und sagen, das war jetzt aber mal, und das war richtig und gut gesagt. Und dann gehen wir wieder in unser altes Muster zurück.

Und das zu durchbrechen, da mehr Widerstandsfähigkeit zu haben, das ist, glaube ich, das, was jetzt so das Gebot der Stunde ist, aus meiner Perspektive. Ach, schön. Das lobe ich nämlich mit ins Kirchentagspräsidium.

Also du bist da im Präsidium? Ich wusste das gar nicht. Das ging gerade runter wie Öl, als du das gesagt hast. Vielen Dank.

Peinlich, dass ich das nicht wusste, sorry. Oh ja, Entschuldigung. Aber schön, das freut mich doch.

Jetzt ist das Kompliment ja noch größer, wenn du das nicht wusstest. Sonst hätte man ja jetzt denken können, du würdest dich ja einschleimen oder so. Nee, das mache ich dann nur beim Podcast.

Noch Sekt? Ach so, nee, lieber nicht. Sarah trinkt noch was. Wollen wir mal nach einer dreiviertel Stunde so langsam zum Thema kommen, wie lieben? Ach, wir haben ein Thema.

Wir sind doch eigentlich schon in den Themen. Wir sind schon voll drin im Thema und alles, was ihr bisher gehört habt, das gehört alles dazu. Wir leben in einer sexualisierten Gesellschaft.

Wir wollen jetzt mal auf das Buch zu sprechen kommen. Eine Sexualethik zum Selberdenken, hast du mit Thorsten Dietz zusammen geschrieben. Transformative Ethik, Wege zur Liebe.

Wisst ihr eigentlich, dass ich bei Wege zur Liebe immer an Liebe zur Bibel denken muss? Habt ihr dabei auch daran gedacht? Nein, haben wir nicht. Aber wir lassen uns weder die Bibel noch die Liebe wegnehmen. Schön, ja.

Halleluja. Also wenn man sich heutzutage die Debatten in der Sexualethik so anguckt, da gibt es ja unglaublich viele Themen. Sexuelle Identität und Orientierung.

Ehe als Institution, ist sie überhaupt noch zeitgemäß? Und es führt dort ja häufig dann zu Streit, auch zu sehr hässlichen Streit zum Teil. Wie kann man über diese Themen sprechen, ohne zu polarisieren, ohne zu verurteilen, auch ohne Vorverurteilungen? Also ich glaube, man muss erst mal ehrlich sein und sagen, es ist echt schwer. Also da ist genau das, was ich vorhin gesagt habe.

Wir erleben in unserer Gesellschaft einen Deutungskampf um sexualethische Themen, der in den sozialen Medien aber auch analog geführt wird, der zum Teil unbarmherzig geführt wird. Und in dem die leisen Stimmen oft nicht gehört werden. Und wir haben versucht mit dem Konzept, das Buch ist ja so eine Art Konzeptbuch, zu sagen, wir wollen Menschen herausfordern, sich ihre eigene Meinung zu bilden, ihre bisherige Meinung zu reflektieren, von mir aus auch zu bestärken oder zu verändern.

Und wir wollen sozusagen, dass die Leute selber denken. Deshalb gibt es diesen Untertitel, Ethik zum Selberdenken. Weil wir das Gefühl haben, dass wenige laute Stimmen sozusagen den Diskurs dominieren und Leute so viel Angst haben bei diesen Themen, dass sie sich gar nicht mehr getrauen, ihre eigene Meinung zu sagen.

Und dann ist es natürlich auch gerade kompliziert. Also was ist jetzt Sexualität? Was ist Gender? Was sind unterschiedliche Lebensformen? Viele Konzepte, die für viele Jahrzehnte auch gehalten und getragen haben, werden infrage gestellt. Und das ist ja nicht nur jetzt bei Christinnen und Christen so, sondern das ist auch in unserer ganzen Gesellschaft so, dass sich an bestimmten Begriffen das so polarisiert.

Und Steffen Mau würde sagen, so triggert, Triggerpunkte, dass man das, was man vielleicht als Konsens sogar gemeinsam hat darunter, darüber redet man gar nicht mehr. Und da geht natürlich dann was verloren, wenn man so den Common Ground verliert und dann nur noch über das spricht, was einen trennt oder wo man uneinig ist. Und dann macht das in der Debatte den Eindruck, das ist unversöhnlich.

Wir haben zum Beispiel ein Kapitel drin über Anthropologie, also über Menschenbild. Also was ist der Mensch? Unser Ansatz ist ja, dass wir beziehungsorientierte Ethik anbieten. Und da gibt es kaum eine Reaktion, sondern es geht nur auf die Triggerthemen.

Es gibt nur bestimmte Worte, die jetzt gerade irgendwie... Transidentität, Polyamorie, Sexkauf. Und dann geht es los, das Wort und dann einfache Antworten. Und Deeds und Fikes, finden Sexkauf super? Nein, finden wir nicht.

Nur weil wir auch mal darüber gesprochen haben, welche verschiedenen Positionen es gibt und welche Modelle es gibt. Weil natürlich war ich in der Vorbereitung, habe ich mit einer christlichen Sexanbieterin gesprochen. Das war auch neu für mich.

Und dann muss man sich erst mal sortieren und sagen, okay, was bedeutet das jetzt? Und es gehört ja dazu. Also es bringt ja auch nichts, das zu verschweigen, als wäre es nicht da. Das ist ja unser großes Bildkartengebiet, dass wir sagen, wir wollen eine Ethik zum Selberdenken, die auf der einen Seite sich an der Bibel orientiert, weil wir glauben, es ist gut, eine Orientierung zu haben, eine Karte zu haben, die Menschen über Jahrhunderte, Jahrtausende Orientierung und Hilfe gegeben hat und da eine große Auslegungsgemeinschaft gewachsen ist, die einem helfen kann, Orientierung zu finden in schwierigen Zeiten.

Und auf der anderen Seite sagen wir, wir müssen das Gebiet ernst nehmen. Das Gebiet verändert sich gerade dramatisch. Gerade in den Fragen der Sexualität, Gender, die Frage nach biologischem, sozialem Geschlecht, nach all diesen Diskussionen.

Das Gebiet verändert sich unglaublich. Und das müssen wir ernst nehmen. Und da nützt es nichts, weder zu sagen, na ja, wir haben doch eine klare Karte und da gibt es doch ein Gebot und die Wirklichkeit interessiert uns nicht.

Wir müssen uns nur an das Gebot halten. Das war ja über viele Jahrhunderte so genannte Gebotsethik. Aber genauso kritisch wäre ich, würde ich sagen, na ja, wir müssen jetzt nur im Gebiet irgendwie überleben und wir achten, dass irgendwie alles im Konsens ist, so eine Konsensethik.

Und wenn alle einverstanden sind, dann ist doch alles okay. Das wäre mir auch zu wenig. Gerade wenn man da nochmal aus machttheoretischer Sicht drauf schaut, wann ist ein Jahr, ein Jahr und so weiter, das ist ja auch alles gar nicht so einfach.

Deshalb so Beziehungen, da glauben wir einfach, dass der Mensch ein Beziehungswesen ist, dass wir ohne Beziehungen nicht leben können, dass gesunde Beziehungen unser Leben verbessern, dass gestörte Beziehungen auch unser Leben problematisch machen und dass wir auch eine Versöhnung und Wiederherstellung von gebrochenen Beziehungen brauchen. Da haben wir wieder das Thema Gnade und Gerechtigkeit. Und dass dieser beziehungsorientierte Ansatz für uns ganz wichtig ist, gerade in dieser Zeit.

Und das haben wir versucht, irgendwie freundlich in einem guten Ton aufzuschreiben. Und es wird ganz unterschiedlich gelesen. Freundlich und in einem guten Ton.

Das phantont ihr ja auch alles in eurem Podcast, du erwähntest es, Karlsruher Gebiet. Und wenn ich dir jetzt so zuhöre, war das auch mit der Grund, warum ihr dieses Buch verfasst habt. Weil viele Themen darin, die habt ihr ja auch, oder die meisten eigentlich, habt ihr ja auch im Podcast schon, der Podcastfolgen schon zugemacht.

Sehr empfehlenswert, habe ich auch sehr, sehr viel gelernt. Und du, bleiben wir mal bei dir jetzt hier, du bist ja jetzt hier bei Thorsten. Thorsten war schon oft genug bei Stachel und Herz.

Es ist deine Zeit, du Wirt, es ist deine Zeit. Thorsten hat auch noch nie Sekt mitgebracht. Ja, genau, hint, hint, Thorsten.

Also wenn du das hier hörst. Also bleiben wir mal bei dir. Du bist ja auch pietistisch geprägt, sagtest du ja gerade auch.

Ich würde sagen, ich bin immer noch ein guter Pietist. Das ist schön, würde ich mich auch so einordnen. Und gleichzeitig lernst du auch Ethik.

Und wenn du jetzt so von dem veränderten Gebiet und so erzählst, würdest du sagen, dass das auch so euch inspiriert hat, dieses Buch zu schreiben? Und was war ich zuerst, Podcast oder zuerst Buch? Welche Idee war denn zuerst da? Also Band 1, also wir schreiben ja eine mehrbändige Ethik. Wir gehen in die Geschichte ein damit. Lebenswerk, genau.

Band 1 war zuerst das Buch. Also wir wollten erst ein Buch schreiben. Also das hat angefangen, wir haben uns hier, da gab es noch gar kein Lockschuppen oder so, sondern hier nebendran, das Rotkirchen, da haben Thorsten und ich uns öfters mal auf ein Glas Wein getroffen.

Einfach Freunde und so und haben viel über Theologie geredet und Ethik. Ja, da war irgendwie irgendwann, eigentlich bräuchte es einen neuen ethischen Ansatz, der auf diese Wirklichkeit neu eingeht, aber die Bibel eben nicht verlässt. Aber eben nicht so fundamentalistisch und gebotsethik, aber auch jetzt eben nicht in diesen Relativismus verloren geht.

Und da haben wir angefangen, erstmal so skizzenhaft unsere Ideen zusammenzubringen und da ist dieser erste Band entstanden. Und der war zuerst. Und dann haben wir fünf Jahre an diesem ersten Band geschrieben.

Also sehr lange und haben uns viel Zeit gelassen. Und dann kam Corona und irgendwie ist das so ein bisschen untergegangen. Also wir dachten so, dieser Ansatz ist revolutionär, ja, darauf hat die Welt gewartet, naja.

Was meinst du mit naja? Ja, also so ein 350 Seiten Ethikbuch, das war jetzt irgendwie für viele nicht so... War nicht so der Verkaufsschlager? Nee, war nicht so, also genau. War okay jetzt so, war jetzt nicht, dass ich es nicht verkauft habe oder sowas, aber es war irgendwie, ich hätte mir da mehr Resonanz erwartet. Und genau, dann haben wir gesagt, einfach die Idee gehabt, okay, dann machen wir jetzt einfach einen Podcast noch.

Wir brechen das runter, wir machen es ein bisschen unterhaltsamer, ein bisschen biografischer, aber trotzdem sachlich unsere Punkte rein. Und das haben wir dann gemacht mit dieser ersten Staffel. Und Corona-Zeit und das ging durch die Decke, das hätten wir nie erwartet, ja.

Also die zwei alten Dudes machen da einen Podcast, eigentlich viel zu spät auf den Podcast-Zug, da waren andere schon weiter. Waren wir vor euch? Nee, ich glaube, wir sind auch bei Corona. Auch eingestiegen, wir sind gleich eingestiegen.

Wir waren auch in der neuen Party. Auf alle Fälle lief das dann so gut. Und da kam, war ja immer so ein bisschen, wir machen auch Themen, wo sich Hörerinnen und Hörer, und da kamen dann lauter sexualethische Fragen.

Und wir immer so, sollen wir das machen? Ja, Sex sells. Ich wollte gerade sagen, Sex sells. Also wenn ihr einen Verkaufshit wollt, dann wenn die beiden Dudes über Sex sprechen.

Die beiden Dudes sprechen über Sexy Time, das muss sich doch verkaufen. Ja, genau. Und dann haben wir eine Podcast-Staffel gemacht darüber.

Okay. Und haben zehn Folgen, das waren, glaube ich, 13 oder 14 Folgen über die verschiedenen sexualethischen Themen. Und das ging dann nochmal, damals zum ersten Mal habe ich was gemacht, was wirklich die christliche Bubble verlassen hat.

Ja, also wir haben von Feministinnen, ganz säkular, von Sex-Kaufgegnern, Befürwortern, Lobby-Mails bekommen usw. Also das war richtig interessant. Wir wurden gelobt und geschimpft von denselben Leuten usw.

Das war hochinteressante Zeit. Und da haben wir gesagt, okay, wir lernen ja nochmal ganz viel. Also unser Gebiet hat sich eigentlich nochmal erweitert.

Und dann haben wir angefangen zu sagen, okay, wir schreiben jetzt darüber, wir reflektieren das und schreiben darüber diesen Band Wege zur Liebe, eine Sexualethik. Das ist ja auch echt krass. Also das klingt ja, bei uns ist unser Podcast ja auch unsere Arbeit.

Das ist auch unser Job. Und ihr macht das so on top. Aber wenn du jetzt von den Mails und Rückmeldungen, auch was ihr in den letzten Folgen, das fände ich sehr faszinierend, die Kommentarspalten durch KI sortieren lassen und sowas.

Das ist ja auch alles richtig viel Arbeit. Auch die Resonanz, die da kommt, ist zwar toll, aber auch ... Aber wir sind auch, ehrlich gesagt, an der Grenze. Also wir müssen uns überlegen, entweder wir müssen das mal professionalisieren, wir nehmen ja immer noch auf, irgendwie bei mir im Büro, nicht so ihr mit Professionalität hier mit Mischpult und Köpferchen.

Wir können lernen von euch. Karte und Gebiet, geht mal die Lehre bei uns. Ihr könnt gerne nach Wuppertal kommen und bei uns aufnehmen.

Ja, sehr gut. Wenn wir im Büro sind, nehmen wir auch in unserem Bürobüro auf. Wir haben jetzt kein Tonstudio oder so.

Genau, wir haben dann Freddy, der das dann am Ende schneidet und schick macht. Grüße gehen raus, vielen Dank. Aber wir sind eigentlich überfordert.

Ja, wir sind überfordert, das Ganze drumherum. Ja, der Vorbereitung, das geht immer noch, weil das ja auch unser täglich Brot ist, im Ethikunterricht und so weiter. Aber wir werden den ganzen Antworten oft nicht so richtig gerecht.

Ja, und das, ah, das tut mir dann auch ein bisschen leid und so. Und dann, genau, versuchen wir das. Aber das gelingt dann eigentlich nur irgendwie in den Ferien mal oder sonntags mittags oder so.

Genau, aber das ist dann so ein bisschen, das macht auch Freude, dass so viele Leute, manche Leute schreiben wirklich drei, vier, fünf Seiten uns. Also entweder so biografisch, weil sie das Thema so, sich so wiedererkannt haben. Oder eben auch dann, weil sie anderer Meinung sind.

Und manchmal ist es ein bisschen weird, aber manchmal richtig gut. Also wir haben jetzt auch bei den letzten Themen, wo ich dachte, ah, okay, da hab ich so noch nie drüber nachgedacht. Und das ist dann wirklich eine Horizonterweiterung.

Hast du ein Beispiel? Also ich fand das nochmal spannend, ein Thema, über das wir uns wirklich drei Jahre rumgedrückt haben, war das Thema Schwangerschaftsabbrüche. Weil zum einen dachten wir, ah, das ist als Männer nicht gut, darüber zu reden. Also das ist irgendwie krumm und schief.

Aber da habt ihr euch ja auch noch eine Frau dazu ... Genau, das war eine Konsequenz. Und dann war es aber tatsächlich nochmal wirklich interessant. Also es gab so radikale links und rechts.

Also Abtreibung ist Mord. Und Abtreibung ist doch gar nichts. Ist wie halt eine Grippe.

Und die ist dann halt nach einer Woche weg. So, nehmen wir das mal raus. Habe ich nochmal gelernt, und das wäre eigentlich eine These für Steffen Mao Triggerpunkte, nehmen wir die Triggerpunkte weg, gab es eigentlich ein ernsthaftes Ringen um das Thema.

Weil es einfach kompliziert ist. Also die Autonomie und die Rechte der Frau und die Rechte des neugeborenen Kindes und das zusammenzubekommen mit einer guten Art und Weise, das hat mich wirklich berührt, wie manche da einfach ihr Ringen ausgedrückt haben. Und dann natürlich auch mit persönlichen Erfahrungen.

Also Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, egal wie sie sich dann entschieden haben, gehen anders oft damit um, wie Männer, die damit persönlich nichts zu tun hatten. Oder das am grünen Tisch. Und das ist eben Ethik.

Ethik ist nochmal anders. Ob ich im Podcast darüber rede und kann irgendwie was theoretisch sagen, mein Wissen zeigen, oder ob ich in einer ethischen Dilemma-Situation bin, wo es um Existenzen geht. Und das habe ich bei diesem Thema positiv nochmal gelernt.

Du hast gerade schon gesagt, da habt ihr euch eine Frau dazu geholt, bei der Podcast-Folge. Bei eurem Buch ist es ja auch so wie bei eurem Podcast, dass ihr ja auch Themen ansprecht. Und das ist da ja ganz ähnlich.

Und irgendwann flatterte dann eine Anfrage von euch an mich rein, ob ich was zum Thema Ehe schreiben könnte. Und da bin ich ja nicht die Einzige. Ihr habt mehrere Menschen dann gefragt, ob sie dann auch Beiträge noch zu eurem... Ihr habt dann ja auch das Kapitel geschickt und so.

Und ich konnte es lesen und konnte dann dazu was Persönliches noch schreiben. Und das habt ihr mit mehreren gemacht. Und das war ja auch ein Grund, weil ihr beide als männliche, weiße Cicero-Autoren, Professoren euch ja auch den Themen wie Diskriminierung und Machtmissbrauch auch gewidmet habt.

Und das zieht sich ja schon auch so durch, durch das Buch. Das ist jetzt eigentlich weniger eine Frage, als dass ich... Aber wenn ich darf, würde ich da gerne noch was sagen, weil das für mich wichtig war. Ich würde sagen, die Podcasts und das Buch sind für mich eine große Lernerfahrung.

Wir haben das bei den Podcastfolgen angefangen, dass man kann eben vieles sich anlesen. Und niemand kann das hinterher so gut erklären wie Thorsten, der fünf Bücher vorher querliest und versteht und zusammenfasst. Das ist großartig.

Es ist wirklich eine wahnsinnige Gabe. Und es ist großartig, mit ihm das da zu machen. Und das machen wir auch.

Das ist ein Teil unseres Berufes und ein Teil dieses Podcasts natürlich und dieses Buchprojektes. Und trotzdem haben wir gelernt, wir beide, dass es wichtig ist, mit Betroffenen zu reden und eine subjektive Erfahrungsstimme zu hören, die in Büchern einfach oft nicht zu hören ist. Und das haben wir angefangen, ich glaube, zum ersten Mal beim Thema Transidentität, weil es einfach wahnsinnig kompliziert ist.

Und ich gesagt habe, wir müssen da noch mal mit Leuten reden. Wie ist das? Wir haben dann sogar jemanden ein Jahr lang begleitet. Und das war so hilfreich, einfach noch mal auch in einer gewissen Unsicherheit Fragen stellen zu dürfen, Antworten zu bekommen, nicht ausgelacht zu werden.

Sagen, nee, Tobi, ich bin froh, wenn du das fragst. Weil andere denken nur immer darüber. Und das haben wir dann gemacht bei ganz vielen Themen.

Ich habe ein langes Interview geführt über Asexualität. Das ist etwas, was wir oft überhaupt nicht auf dem Schirm haben. Wie ist das, gerade in einer christlichen Gemeinde zu sein, in einer Gemeinschaft zu sein, wo alle erwarten, man heiratet ja auch und hat Sex und kommen Kinder.

Und man ist asexuell. Und das ist prozentual einfach noch mal viel höher wie viele andere Dinge. Und was bedeutet das, aromantisch zu sein usw.? Welche Kämpfe stehen dahinter? Wie kann man vielleicht trotzdem eine Beziehung führen? Und das war ein steiler Lernweg für uns, aber auch total wichtig.

Und diese Stimmen, manche sind ins Buch gekommen, manche sind nicht ins Buch gekommen, manche wollten das einfach nicht. Weil sie sagen, nee, manche anonymisiert, manche wollten es gar nicht, manche mit Klarnamen. Das konnte jede Person selbst entscheiden.

Und das war, glaube ich, noch mal etwas, wo wir gesagt haben, ja, das Gebiet soll möglichst authentisch abgebildet werden. Und nicht nur aus der Sichtweise von diesen 2 älteren weißen Herren. Auch die Gespräche, die wir geführt haben mit Betroffenen sexualisierter Gewalt.

Wir haben Dinge auch gegenlesen lassen. Also ganze Kapitel. Wir haben gesagt, wir haben jetzt gesprochen, jetzt haben wir was geschrieben, kannst du das noch mal gegenlesen? Noch mal ein Feedback zu bekommen da drauf.

Intersektionalität, ganz großes Thema. Noch mal von Leuten, die da drinstehen. Und mehrere Diskriminierungen in sich vereinen.

Wenn die lesen und sagen, das ist gut, dann waren wir zufrieden mal. Also das sind solche Themen gewesen. Und da haben manche Kapitel auch 2, 3 Runden gebraucht.

So ist das dann. Ein weiteres Thema, was ja auch eine Rolle spielt in eurer Ethik, ist Intersektionalität. Was glaubst du, wie kann Kirche lernen, verschiedene Formen von Diskriminierung, also Sexismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit, nicht isoliert, sondern in ihrer Verschränkung zu erkennen und zu bearbeiten? Also ich versuche wirklich ehrlich zu antworten.

Bitte. Das andere dulden wir auch nicht. Nein, weil das so ein schwieriges Thema ist.

Und es ist eben, natürlich könnte ich jetzt noch mal sagen, wie toll ich Intersektionalismus finde und so weiter und wie wichtig. Es ist wahnsinnig schwer zu leben. Es ist einfach im Alltag, und Marburg hat sich ja auch daraus sozusagen gegründet, um verschiedenen, gerade Menschen mit Behinderung, queeren Leuten und so weiter, einen Raum und eine Stimme zu geben.

Und eine Bühne zu geben, einen Menschen mit Behinderung predigen zu lassen. Auch auf die Gefahr, dass die vielleicht dann irgendwann nicht mehr weiß, wie es weitergeht. Und man hat sich vorher vorbereitet und trotzdem.

Oder Queer-Gottesdienste sind vielleicht einfacher dann noch. Aber in der Theorie ist es, glaube ich, einfach, aber in der Praxis ist es schwer. Wir haben auch in der Vorbereitung, ich habe zum Beispiel einen AIDS-schwulen Café besucht.

In der Vorbereitung. Hat sich gegründet eben in dieser AIDS-Zeit, 90er Jahre. Und da drin haben nur schwule Männer ihre Sicherheit bekommen.

Und diakonischer Träger, und da konnte man um Glauben und Leben reden. Die sind völlig verzweifelt, weil sie ihre Heimat verloren haben. Weil jetzt lauter queere Leute drin sind, die überhaupt diese Biografie natürlich gar nicht verstehen.

Und die sagen, ja, also Homosexualität und so, du musst das jetzt einmal ein bisschen liquide sehen. Und Non-Binarität, wer weiß, was noch kommt. Und so weiter und so fort.

Und diese älteren schwulen Männer sagen, was geht hier ab? Geht weg, ihr Jungen mit eurem Queer-Zeug. Die sind die totalen Gender-Gegner. Und sind da richtig konservativ und da gibt es einen richtigen Fight.

Man könnte das jetzt auch Feminismus und alles Schwarze und so weiter. Also es gibt es auf allen Ebenen. Das heißt, wir reden hier überhaupt nicht von homogenen Gruppen.

Sondern das muss man sagen, das ist so Tribalismus. Also es gibt so Stammesdenken da eher. Und das macht es manchmal tatsächlich auch im Gemeindealltag schwer.

Gar nicht böse, sondern einfach ein Gottesdienst bei uns. Wir haben eine Frau, die Körperausdruck getanzt hat. Ein bisschen Mitte 60.

Und dann saß ein junger Mann, der im Autismus-Spektrum ist. Und sie ist ihm einfach in ihrer Bewegung zu nah gekommen. Und dann ruft er irgendwann, geh weg, du, geh weg.

Ja, weil er sich schützen wollte einfach. Und sie hat das aber sofort persönlich, hat gleich ihre Queer-Gruppe angerufen. Wir haben gleich Gespräche.

Und es war einfach eine wilde Situation. Einfach so im Alltag das zusammenzubekommen. Und da immer wieder zu sensibilisieren.

Immer wieder Gruppen zu machen, aneinander zuzuhören. Zu sagen, was ist aus meiner Sicht denn gerade wichtig und schön? Was kann ich beitragen in diese Gemeinde? Und was belastet mich auch? Was nervt mich? Und da ist halt Intersektionalität auch kompliziert. Und ich glaube, diese Ehrlichkeit braucht es, um es dann gemeinsam Lösungen zu finden.

Und dann, glaube ich, braucht es solche sicheren Räume, wo man ehrlich reden kann miteinander. Und wo man auch Dinge nicht schön redet, sondern wirklich sagt, ja, da gibt es eben eine Grenzüberschreitung für den einen. Und für den anderen ist es genau die Freiheit, die sie oder er gerade braucht.

Ja, können wir aus einer weltweiten Ökumene ja auch sagen. Wie schwierig es ist, intersektionale Räume zu öffnen. Da würde ich jetzt gar nicht mehr drauf eingehen.

Wir wollen ja auch noch mal weiter hier. Genau, wo wir stehen geblieben sind. Ich war jetzt direkt schon wieder in der internationalen Ökumene mit meinen Gedanken.

In vielen traditionellen christlichen Kontexten, da wurde und wird Sexualität ja vor allem auch mit Sünde, Scham, ihr habt ein ganzes Kapitel zu Scham und wir haben gerade im Vorgespräch erfahren, es gab auch noch viel mehr zum Thema Scham. Jedenfalls wurde das ja auch alles so in Verbindung gebracht. Welche Folgen hat es deiner Meinung nach, wenn Sexualität derart moralisch aufgeladen und tabuisiert wird? Also insbesondere dann im Blick auf unterdrückte Sexualität, aber auch im Zusammenhang aktuell mit sexualisierter Gewalt, Missbrauch, Aufarbeitung usw.

Das behandelt ihr ja auch in dem Buch. Ja, genau. Also das ist glaube ich ein Thema, das noch nicht gut beleuchtet und diskutiert wurde.

Also wir haben das ja letztes Jahr in diesem Vergewaltigungsfall, die Scham muss die Seiten wechseln, in Frankreich gehabt. Giselle Peliko. Genau und das glaube ich hat nochmal dieses Thema überhaupt sprachfähig gemacht.

Danach gab es viele gute Diskurse, aber ich merke das zumindest im Alltag, dass dieses ganze Thema Scham, Schamkultur, Beschämung von anderen auch in den sozialen Medien eine Riesenrolle spielt im Alltag, aber wir oft nicht sprachfähig dadurch sind. Also wie Bilder rumgeschickt werden, in WhatsApp-Gruppen von 15-Jährigen veröffentlicht werden, wie in den sozialen Medien kommentiert wird, wie bloßgestellt wird. Also wie mit Scham auch gespielt wird, nur als Waffe genutzt wird.

Und das ist ja gerade im Thema dann sexualisierte Gewalt, wenn sozusagen die Scham in die Schuld geschoben wird und sich Leute, die eigentlich betroffen sind, schuldig fühlen, weil sie sich schämen und weil sie das kaum ausdrucken können, was sie erlebt haben. Und dann ist das oft so eine doppelte Schuld. Also viele, in vielen Fällen, nicht in allen, aber gibt es ja, dass Betroffene auch sich eine Mitschuld geben aus irgendeinem Grund.

Und dann kommt sozusagen in der Öffentlichkeit nochmal diese Scham und sozusagen nochmal eine zweite Schuldwelle auf sie zu. Das ist natürlich ganz, ganz bitter. Und das müssen wir aus meiner Sicht unbedingt verhindern.

Deshalb braucht es eine bessere Sprachfähigkeit auch über das Thema Scham. Wir hatten ja vorhin das kurz, dass wir aus einer eher schuldorientierten Kultur kommen. Und diese Frage der Scham, auch der kollektiven Scham.

Was finden wir überhaupt schamhaft? Wie reden wir und können wir über Sexualität reden? Wohin gehört das? Und da eine gute Sprachfähigkeit zu finden, da zu sehen, okay, es darf private Dinge, da darf ich auch eine persönliche Scham haben, muss ich auch nicht mit allen teilen. Und gleichzeitig möchte ich nicht, dass Sexualität beschämt wird per se. Also wir reden nicht und wir haben ja, das ist ja gerade ein größeres Thema.

Da sind ja manche nordischen Länder schon weiter oder Portugal. Also wie gehen Frauen mit ihrer Periode um? Ist das auch so ein schambesetztes Thema? Kann man darüber reden? Was bedeutet das für mein Arbeitsverhältnis, für meine Leistungsfähigkeit und so weiter? Und da finde ich, ist bei uns noch eine falsche Scham da. Wir reden darüber eben nicht.

Und dann wird es so ein beschämtes Thema und dann sind die Betroffenen sozusagen wieder doppelt bestraft. Und das ist, glaube ich, das, wo wir raus müssen und wo wir eine bessere Kommunikation, eine bessere Übung brauchen, Räume brauchen, wo wir über Sexualität einfach natürlich auch reden können, ohne dass bestimmte Gruppen beschämt werden und so weiter. Also wir könnten jetzt auch noch über männliche Verantwortung bei Verhütung reden oder sowas.

Also damit meine ich nicht nur Frauen, sondern überall. Also es gibt ganz viele Thema, die sind so Scham-Tabu-Themen. Ja, das finde ich ganz spannend.

Weil es ist ja tatsächlich nochmal was anderes, über ein Thema zu schreiben oder über sich zu sprechen. Und gleichzeitig, das merke ich bei mir auch, brauchst aber auch das Über-Das-Sprechen, damit man auch andere ermutigt, dann auch mehr im Austausch über sich zu sprechen. Und bei mir ist das auch, also ich sage mir das dann auch so.

Ja, absolut. Also bei vielen Sachen, gerade beim Thema Sexualität, merke ich halt auch, wie tief meine christliche Prägung sitzt, ohne dass ich mich an Szenen aus meiner Kindheit oder Jugend erinnere, wo man wirklich mit dem Wort Scham irgendwas beschämen wollte, aber durch das Nicht-Aussprechen. Ja genau, das war gerade dieses Unaussprache.

Deshalb reden wir ja oft, das ist eine Haltung und die Haltung kann offen sein, ermutigend, empowerend oder die Haltung kann peinlich, nicht ausgesprochen, wir reden nicht drüber, das darf man nicht sein. Also das ist ja so, dass wir mit Kultur, mit Haltung, mit dieser unsichtbaren Macht, das ist ja beim Thema Purity-Culture ganz groß. Man findet ja kaum irgendwie eine Gemeinde, die zehn Regeln der guten Purity-Culture hat oder sowas.

Sondern das wabert so rum und dann gibt es mal einen Abend drüber und dann hört man das und das sind die Erwartungen, wenn ich da mitarbeite, dann muss ich so und so sein. Und das verselbstständigt sich dann oft. Das ist glaube ich das, was es so kompliziert macht und Leute unter Druck setzt und ich würde gerne, dass wir diesen Druck weg haben und wenn jemand sagt, zum Beispiel, ich warte mit meiner Sexualität bis zur Ehe und tue das aus freien Stücken gemeinsam mit dem anderen, dann sollen sie das machen.

Das ist gar kein Problem. Das Problem ist diese Beschämung und dieser Druck und dieses ich darf nicht und wenn ich das jetzt mache, dann darf ich nicht mehr mitarbeiten oder es gibt Sanktionen oder sowas. Oder ich komme in die Hölle.

Also das ist ja das perfide und da glaube ich braucht es einfach eine bessere Kultur des Miteinanders. Ihr habt euch auch explizit mit geistlichem Missbrauch beschäftigt und gerade in Kirche gibt es da ja auch strukturelle und theologische Voraussetzungen, die das begünstigen. Wie sehen die aus und wie könnt ihr auch, also wie versucht ihr auch mit eurer transformativen Ethik dazu beizutragen, dass solche Machtstrukturen auch hinterfragt werden kann und man da auch präventiv gegen Missbrauch wirken kann? Also es ist auch ein schweres und kompliziertes Thema, weil es eben nicht, man kann nicht einfach sagen, diese drei Dinge und dann haben wir geistlichen Missbrauch.

Sondern es kommen oft verschiedene Dinge zusammen und da kommen, du hast das glaube ich schon ganz gut angedeutet, also es gibt gewisse Strukturen, die geistlichen Missbrauch fördern. Also sehr hierarchische Strukturen, viel Macht auf wenig Personen, wenig Kontrolle, wenig Mitspracherecht und so weiter. Heißt das deshalb, da ist geistlicher Missbrauch, wenn das so ist? Nein, aber es kann begünstigend sein.

Zweite Sache, Theologie. Es gibt theologische Muster, nenne ich das mal, die geistlichen Missbrauch fördern. Also zum Beispiel sowas wie der Geist Gottes hat mir das gesagt.

Oder die Bibel sagt das und das und so weiter. Also hermeneutische und theologische Grundaussagen. Sind die per se geistlicher Missbrauch? Nein, aber begünstigen sie es? Ja.

Und dann kommt das Dritte dazu. Menschen, die oft sehr begabt sind, die sehr viel machen, die sehr gut ankommen und dann, wenn alles drei zusammenkommt, dann kann es sein, dass solche Positionen kommen. Und dass da geistlicher Missbrauch entsteht und aus diesem geistlichen Missbrauch vielleicht sogar sexualisierte Gewalt wird.

Also das geht dann manchmal Hand in Hand. Und das ist glaube ich etwas, wo ich sagen würde, das ist sowohl in Landeskirche, wo oft ein struktureller Fundamentalismus herrscht, als auch in Freikirchen, wo eher dieser theologische Evangelikalismus, manchmal Fundamentalismus herrscht. Also jede Frömmigkeit und Denomination, Konfession hat so ihre vielleicht Hauptangriffsziele.

Was meinst du mit strukturellem Fundamentalismus? Also dass Leute klein gehalten werden, wenn sie in bestimmte Strukturen nicht reinpassen. Also ich möchte ein neues Lied singen, aber das darf ich nicht, weil diese Liturgie seit 300 Jahren so gemacht wird. Ich möchte irgendwas machen, was nicht wahr ist.

Und es wird sozusagen alles, es sind Leute, die versuchen etwas zu verändern, aber das wird praktisch abgebügelt. Und da sind ganz unterschiedliche Motivationen, aber ist das schon geistlicher Missbrauch? Nein, aber es fördert das, wenn da noch weitere Sachen dazukommen. Und da glaube ich, darf man dieses Strukturelle auch nicht außer Acht lassen.

Das sage ich auch nochmal deshalb, weil meine evangelische Kirche das ganz schnell und ganz klar, was ich bei einer Freikirche sieht oder bei ICF sieht. Diese Strukturen, das ist doch hier, also ja, haben Sie auch recht, aber unsere Strukturen sind manchmal demokratisch legitimiert, aber nicht besser in manchen Machtpositionen. Und da zu sagen, ja, ich finde die Kritik wichtig, aber man muss auch selbstkritisch bleiben und auch sich selbst kritisieren lassen.

Und da gehört, glaube ich, beides zusammen. Und da, welche Meinungen werden nicht zugelassen? Das ist ja ein großes Thema und da ringe ich selbst mit. Also wo sind Meinungen, Menschen verachten, Menschen verletzen, ausgrenzen und wir müssen uns dagegen wehren und auch Grenzen ziehen.

Aber wo müssen wir die Menschen auch gewinnen, die gerade da auch sind? Also wie geht das? Also das finde ich gerade, fordert mich wahnsinnig heraus und ist ein großes Lernfeld gerade. Und deshalb, geistlicher Missbrauch beginnt nach meiner Beobachtung ja oft nicht geplant. Das gibt es vielleicht auch, aber in den meisten Fällen, Leute wachsen da so rein.

Und das ist das, was es dann oft so blind macht und auch so schwierig macht. Und es gibt einen sehr guten Podcast über die Kansas City Prayerbewegung, die große Gebetshausbewegung, die hat ja in Kansas begonnen, wie sozusagen dort dieser geistliche Missbrauch begonnen hat und sich eingeschlichen hat über Jahrzehnte. Und das ist, wir können das vielleicht verlinken, kann ich euch mal den Link schicken.

Heaven Band heißt der Podcast. Und den fand ich nochmal sehr spannend zu diesem Thema. Für mich war das so, als die Forumstudie veröffentlicht wurde, also die Aufarbeitungsstudie zu sexualisierter Gewalt in der EKD und Diakonie Deutschland, da war es so, okay, auf der einen Seite war es irgendwie nothing new, weil irgendwie das, was ich auch zu Diskriminierung und Rassismus und Aufarbeitung von Machtstrukturen und so irgendwie alles schon wusste und auch anderen referiere und so.

Auf der anderen Seite war es so, wow, krass, jetzt haben wir es irgendwie auch so schwarz auf weiß und die Themen überschneiden sich. Das war auch so ein bisschen so ein Anfallstor dafür, das Buch gemeinsam anders zu schreiben und so nochmal zu zeigen, okay, es sind dieselben Mechanismen, auch wenn die Dinge in ihrer Unterschiedlichkeit beleuchtet werden müssen. Aber gerade deswegen nochmal die Frage, gibt es irgendwie Beispiele aus deiner Forschung oder Praxis, wo du siehst auch, ja, da ist Veränderung bereits gelungen.

Also zum Teil versucht ihr das ja auch mit und Marburg hier. Und was würdest du sagen, genau daraus aus Forschung und Praxis, was sind so die größten Hindernisse für einen echten Kulturwandel? Also ich würde einmal hoffnungsvoll anfangen. Ich glaube, es gibt zurzeit Hunderte von jungen Initiativen, die dann irgendwie Erprobungsräume, Fresh X, und Marburg, Mut, was auch immer heißen.

Und die versuchen, diesen Kulturwandel zu leben. In aller Gebrochenheit, das würde ich ja bei und Marburg auch sagen. Gelingt es uns bei und Marburg? Nein.

Also da würde ich sagen, ja, versuchen wir es unbedingt. Versuchen wir es auch immer wieder, ja. Enttäuschen wir Leute? Ja.

Tut uns das leid? Ja. Hören wir auf deshalb? Nein. Wir machen weiter, wir versuchen es.

Und so geht es, glaube ich, ganz vielen. Und es entstehen ganz viele solche, ich nenne das jetzt mal Hotspots der Liebe, der Liebe Gottes. Also das, was Hannah Reichel richtig gepredigt hat.

Also wo Menschen zusammenkommen, versuchen sich gegenseitig zu stützen, zu empowern. Wo ein Puffer der Liebe Gottes um sie herum ist, in die Gesellschaft hinein. Wo man sagt, ja, wir wollen da hineinstrahlen.

Auch in all dem, was wir verkehrt machen. Ja, wir wollen nicht besser erscheinen, als wir sind. Sondern wir reden darüber auch, was nicht funktioniert.

Damit beginnt ja eigentlich Ehrlichkeit. Das ist ja die beste Prophylaxe auch gegen Missbrauch. Wenn wir sagen, ja, unsere Strukturen sind gut gemeint, aber wir merken in der Praxis, bei der Generation, die jetzt da ist, funktionieren sie nicht so, wie wir das wollen.

Also da würde ich sagen, das ist etwas, was mir sehr viel Hoffnung gibt. Das zweite, was mir Hoffnung gibt, ich glaube, dass viele Kirchenleitende wirklich dieses Thema sehr, sehr ernst nehmen. Dass die Kirstin Feers als EKD-Ratsvorsitzende dieses Thema sexualisierte Gewalt absolut ernst nimmt.

So, und jetzt kommen wir aber auch zu den Schwierigkeiten. Es ist eben nicht so einfach, einfach zu sagen, naja, wir arbeiten das auf. Da gibt es doppelte Akten, da gibt es Gerichtsandrohungen, da gibt es richterliche Verfügungen und so weiter.

Man kann ja nicht einfach, ich selbst habe das mal erlebt, dass ich mir einen Anwalt, weil ich sozusagen eine Schweigeklausel über 60.000 Euro, wenn ich das in der Öffentlichkeit sage, angedroht habe. Weil ich so emotional war und gesagt habe, das sage ich jetzt, gehe ich an die Öffentlichkeit. Zack, kann ich am nächsten Tag so ein Ding auf den Schreibtisch legen.

Es ist auch nicht so einfach. Ist das eine Entschuldigung? Nein, bitte nicht. Ich will nur auch die Wirklichkeit beschreiben.

Und da Wege zu suchen, wirklich der Aufklärung, der Transparenz, die Betroffenen zu unterstützen und auch die Mächtigen, ich sage das so, zu kritisieren, die diesen Weg nicht gehen wollen. Und da gibt es auch Kirchenleitende, jetzt habe ich sie gelobt, manche, die man kritisieren muss, weil sie denken, sie können es einfach aussitzen. Und da würde ich sagen, nein, das geht nicht.

Das geht nicht, ich muss Verantwortung übernehmen, auch für meine Kirche. Und ja, es ist kompliziert und das darf man auch mal sagen. Da finde ich, ist Frau Kuschus auch ein bisschen, vielleicht manches nicht gut, aber es ist schwierig, weil man über manche Dinge nicht reden darf.

Da kann man sich nicht verteidigen und so weiter. Aber es ist nicht so einfach. Und da würde ich sagen, braucht es weitere konsequente Schritte.

Und da gibt es tolle Leute, die die Aufklärungsarbeit machen, die das auch aus der Basis, ich glaube, das ist ein großer Punkt. Birgit Matausch und andere, die immer wieder offene Briefe schreiben, hinschreiben, das posten, andere sich solidarisieren. Das wird gesehen heute.

Also diese, wir haben ja vorhin Graswurzelbewegung, ja, das hat eine Macht, gerade auch dabei. Anders kann man das gar nicht meistern. Okay.

Sorry, ich habe eine Sekunde gebraucht. Kleiner Easter Egg. Ich frage dich jetzt mal, okay, schnell weiter.

Vorletzte Frage, weil die Zeit ist fast alle. Dabei hast du nur ein Glas Sekt getrunken. Ich frage dich jetzt mal unsere vorletzte Frage, weil unsere Zeit ist leider um.

Irgendwie, das war einfach zu gut alles. Und wir mussten jetzt einige Sachen rauslassen. Aber wir sehen uns bestimmt noch mal.

Du bist ja auch Rektor und Prof und so weiter. Und was glaubst du, wie kann die Theologieausbildung, also wenn es um die Zukunft geht, auch der Kirche, in Deutschland verändert werden, oder wie muss sie vielleicht auch verändert werden, um künftige Hauptamtliche für diese Herausforderungen zu sensibilisieren? Weil im Moment ist das ja, also kannst du selber wahrscheinlich am meisten von erzählen, wie der Ist-Zustand ist. Also ich würde erst mal sagen, es ist eine Frucht der eigenen Arbeit, dass die theologischen Fakultäten und auch die evangelischen Hochschulen in der Krise sind.

Ja, das muss man einfach auch selbstkritisch sagen. Und wir brauchen in der Theologie, und ich sage jetzt mal schräg, schräg, Gemeindereligionspädagogik, Diakonie, mehr Internationalität, mehr Intersektionalität, Interdisziplinarität. Sorry, das sind einfach die wissenschaftlichen Bereiche, die wir brauchen, um Dinge zu verbinden.

Weil es ist viel zu versäult alles. Es ist auch viel zu viel aus einer, sage ich mal, deutschen Tradition heraus. Es sind viele Länder einfach weiter.

Wir waren das Hochland der Theologie über Jahrhunderte, aber das ist vorbei. Und wir brauchen eine bessere und engere Theorie-Praxis-Verzahnung. Also das, was ich in Südafrika so gelernt habe, dass es einen Theorie-Praxis-Cycle gibt.

Also das ist ganz normal. Und alle Theologie-Professorinnen und Professoren waren ehrenamtlich in irgendeinem Projekt, in einem Township, haben eine Gemeinde ehrenamtlich geleitet, haben bei Aids-Projekten mitgemacht und das gibt es hier viel zu wenig. Und wir brauchen da viel mehr Theorie-Praxis-Dialog.

Welche Fragen sind relevant? Wie können wir dazu was sagen? Die ganze Frage nach einer öffentlichen Theologie, nach einer öffentlichen Ethik, nach einer Sprachfähigkeit, nach einer Mehrsprachigkeit. Also das sind lauter Dinge, die ich für unglaublich wichtig finde. Wir sprechen auch gerne bei uns an der CfW-Hochschule von einem transformativen Lernen.

Es geht nicht mehr um Wissen. Es geht nicht mehr darum, alle Sprachen zu können und alle Bibelkundesachen zu können, sondern was geschieht mit dem Wissen? Wie wird Kompetenz daraus? Wie können Leute Wissen und Persönlichkeit? Also das ist ja das, was, wenn ich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer frage, in Kirchen, Diakonie, soziale Arbeit, und da bin ich ja viel im Gespräch, was erwarten sie? Erwarten die, ich erwarte, dass ihre Leute alle eine Eins haben überall? Nein, die erwarten Persönlichkeiten, die resilient sind, in schwierigen Zeiten, die Entscheidungen treffen können, wo keiner mehr Entscheidungen treffen kann, die zuverlässig sind, die sich die Hilfe annehmen können, die teamfähig sind. Und all das gehört eben heute mit auch in ein gutes Studium hinein.

Wir nennen das außerkurrikulare Hilfestellungen mit Persönlichkeitscoaching und Seelsorge und Mentoring und auch die Frage nach der spirituellen, nach der geistlichen Entwicklung. Leute bringen ihre Biografie und ihre Erfahrung mit, das ist super, aber dann müssen sie eben lernen, mit anderen Frömmigkeitsstilen, mit anderen Weltanschauungen umzugehen. Wir leben in einer pluralen Zeit.

Und da, glaube ich, tut sich ganz viel. Und im Bereich der evangelischen Hochschulen, der ZDM-Hochschule und so weiter, da, glaube ich, passiert ganz, ganz viel. Und ob in der Theologie auch was passiert, das wird sich im Herbst entscheiden.

Da ist großer Fakultäten-Tag, Showdown. Und wird sich da was verändern? Da gab es jetzt einen mehrjährigen Prozess. Und da bin ich sehr gespannt.

Und da geht es nicht nur darum, formal macht man das Theologiestudium mit Bachelor oder Master. Ja, das ist super, wenn das mal kommt, damit es anschlussfähig wird, die Theologie auch noch mal besser in andere Disziplinen. Aber verändert sich auch das Inhaltliche, wird kompetenzorientiert studiert und so weiter.

Da bin ich sehr gespannt, ich beobachte das. Willst du daran teilnehmen? Nee, ich bin ja, wir sind ja so Hochschule, nicht Universität. Ja, ich bin da im Gespräch, im Hintergrund natürlich.

Und wir haben ja, also das ist ja alles so geschrumpft und marginalisiert worden. Wir müssen zusammenhalten. Das geht mir auch gar nicht gegen die Theologie zu bäschen.

Wir brauchen viele Theologiestudierende, Halleluja. Wir brauchen eine neue Lust an der Theologie. Das ist ja, weshalb wir eigentlich mehr Thorsten Dietz bräuchten.

Also mehr Thorsten-Dietz-Wagen. Also Dinge auch wieder nicht nur klug reflektieren und verstehen, sondern dann auch wieder anwendungsorientiert in die verschiedenen Kontexte zu geben, dass Leute das umsetzen können. Also ich finde, da hat er eine wahnsinnige Gabe und das ist toll.

Und da bräuchten wir eigentlich noch viel mehr von. Und da gibt es auch gute Professorinnen und Professoren in Deutschland, ja. Und Claudia Janel und so weiter, kennt ihr ja auch, mit denen ich liebe, Projekte zu machen und auch andere.

Aber wir brauchen einen neuen Habitus in der Theologie und der Gemeinde- und Religionspädagogik, der auch, und jetzt sage ich mal einmal das Wort, der demütiger ist. Wir brauchen mehr Demut im Theologiestudium und in der Gemeinde- und Religionspädagogik genauso. Weil, sorry, die Zeit, wo das die Königsdisziplin war, ist vorbei.

Ja, die ist vorbei. Ich habe letztens irgendwo Zahlen gehört, wie viele Studierende es da waren, die es heute sind. Es gibt Fakultäten, die haben fast mehr Profs als Studienanfänger.

Aber wir wollen positiv enden, du weißt das. Wir enden mit Träumen. Und zum Thema Traum habe ich mal auf deinen Blog geguckt.

Am 19.11.2022 schriebst du einen Blogbeitrag unter dem Titel Gottes Traum von Kirche. Da hast du dann Gottes Traum in mehreren Punkten dargelegt. Ich muss gestehen, ich habe mir das nicht in der Tiefe gelesen, aber gerade so eben haben wir noch mal im Auto auf dem Weg hierhin da drauf geguckt.

Da habe ich gesagt, ah, interessant. Tobias weiß also, wie Gottes Traum von Kirche ist. Und das in Punkten.

Das hat sich dann geändert. Am 27. Februar diesen Jahres schriebst du einen Blogbeitrag zu dem Thema Mein Traum von Kirche.

Man wird demütig. Man wird demütig. Sind wir da wieder bei der Demut? Und genau das, du weißt es, damit enden wir.

Du kennst die Frage. Jetzt mal von all deinen Blogbeiträgen, abgesehen von dem, worüber wir uns jetzt unterhalten haben. Es schien auch ein bisschen jetzt durch, gerade schon bei der letzten Frage auch.

Aber auch von all dem, was in dem Gespräch jetzt so durchkam. Tobias Weix, was ist dein Traum von Kirche? Also als guter Pietist antworte ich natürlich mit einer Bibelstelle. Galater 3, da ist nicht mehr Mann und Frau, Jude und Grieche, Reich und Arm.

Also die drei großen Trennungslinien, Rassismus, Kapitalismus, Sexismus, die diese Welt überall trennen. Gemeinde ist Gottes Experimentierraum, wo wir versuchen, das zusammenzudenken. Das ist mein größter Traum.

Dann bin ich jetzt ja schon ein bisschen älter und versuche, diesen Traum mit Untmarburg zu leben und merke, wie schwierig das ist und möchte da nochmal Bonhoeffer zitieren. Ein Zitat, das mich so, ich sag mal, das letzte Jahr nochmal neu begleitet hat. Wer seinen Traum von einer christlichen Gemeinschaft mehr liebt als die christliche Gemeinschaft selbst, der wird zum Zerstörer jeder christlichen Gemeinschaft.

Und ob er es persönlich noch so ehrlich, noch so ernsthaft und hingebend meinte. Und dieser Satz hat mich so in meiner, auch sag ich mal, Untmarburg, und wir machen es jetzt irgendwie, versuchen es besser zu machen, hat mich tief getroffen, weil er, glaube ich, eine tiefe Wahrheit anspricht. Und das ist tatsächlich, wo ich heute auch demütig sagen würde, Gottes Traum von Gemeinde und mein Traum von Gemeinde ist nicht dasselbe.

Und das, was wir leben, das versucht irgendwie sich zu orientieren an Gottes Traum, aber es ist oft weit weg. Aber ich möchte nicht aufhören. Ich möchte auch weiter träumen, aber ich möchte es auch realistisch tun.

Und vielleicht ist heute dann die Fallhöhe nicht mehr so hoch, wie sie früher bei mir war. Tobias, vielen, vielen Dank, dass du dir so viel Zeit genommen hast für uns. Und ja, das war fantastisch.

Wir hoffen, dir hat es auch gefallen. Total, vielen Dank. Wir hoffen, euch hat es gefallen.

Schön, dass ihr dabei wart. Schön, dass ihr so lange dran geblieben wart. Aber ich glaube, es hat sich gelohnt.

Es war ja auch die hundertste Folge. Auf euch. Hochgläser.

Noch einmal. In diesem Sinne. Auf euch.

Auf euch, liebe HörerInnen auch. Habt's fein. Bis bald.

Tschüss. Tschüss. Dankeschön.

Dies war ein Podcast der Vereinten Evangelischen Mission. Wir hoffen, die heutige Folge hat dir gefallen und zum Weiterdenken und Nachfragen angeregt. Falls ihr Fragen an uns habt oder uns Feedback geben wollt, freuen wir uns sehr darüber.

Schreibt uns auf Instagram oder ganz klassisch per E-Mail an podcast.vemission.org Weitere Informationen findet ihr auf www.rassismusundkirche.de Mit dem Podcast wollen wir dazu beitragen, Kirche zu einem sicheren Ort zu machen. Daher versuchen wir, unterschiedliche Perspektiven hörbar zu machen und wissen gleichzeitig, dass wir nie alle Perspektiven ablegen können. Wenn ihr das für eine gute Idee haltet und uns darin unterstützen wollt, schreibt über uns auf euren Social Media Kanälen oder lasst uns eine Bewertung bei Spotify oder iTunes da.

Danke für eure Unterstützung, fürs Reinhören und vor allem für all die Menschen, die den Podcast inhaltlich und persönlich mit Beiträgen bereichern. Bis dahin mit den besten Grüßen von der VEM aus Wuppertal.

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